Repower-Kohlekraftwerk: Ursachen und Hintergründe der Millionenklage

Im April letzten Jahres (2014) verklagte die Bündner Repower vier Gegner ihres geplanten Kohlekraftwerks in Kalabrien auf 4 Millionen Euro Schadenersatz. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Hintergründe der Klage.

Am 14. April 2014 unterzeichnete Fabio Bocchiola die Klageschrift gegen vier Gegner des Kohlekraftwerks in Saline Joniche. Bocchiola ist Mitglied der Repower Gruppenleitung, Chef von Repower Italien und Delegierter des Verwaltungsrats der Projektgesellschaft SEI S.p.A.  Dieses Konsortium (SEI, Saline Energie Ioniche) plant das Kraftwerk. Die SEI ist mehrheitlich im Besitz der Graubündner Repower AG, vormals Rätia Energie AG. Ausserdem stellt die Repower 2 der 5 Verwaltungsräte. Ein weiterer Verwaltungsrat der SEI, Andrea Bettini, hat als Anwalt schon mindestens ein Mandat im Auftrag der Repower, bzw. der Rätia Energie ausgeführt, ist also mit Repower verbunden. De facto verfügt die Repower sowohl bei den Anteilen, wie auch im Verwaltungsrat über die Mehrheit der SEI.

Fabio Bocchiola klagt im Namen der Repower-Tochter (SEI) gegen die vier Aktivisten wegen Diffamierung und Schädigung des Rufs („diffamazioni e lesioni d’immagine“) und verlangt 4 Millionen Euro Schadenersatz. Da die SEI die Klägerin ist, geht es (vordergründig) um den Ruf der Projektgesellschaft (SEI).

Mit einer Medienmitteilung wurde die Klage in der Schweiz bekannt gemacht. «Die Südostschweiz» fragte anschliessend bei Repower nach und erhielt diese Auskunft:

«Das ist nicht unsere Sache. Wir bereiten unseren Ausstieg aus dem Projekt vor.» Ansonsten habe Repower mit dem Projekt nichts mehr zu tun. (Repower-Mediensprecher Werner Steinmann, zitiert von der Südostschweiz am 6. Mai 2014)

Eine gute Woche später, am 14. Mai 2014,  äusserten sich an der Generalversammlung der Repower der Verwaltungsratspräsident Eduard Rikli und der CEO Kurt Bobst dennoch und begründeten die Klage ganz anders als es in der Klageschrift steht:

Bezüglich der eingereichten Klage der SEI gegen vier Personen aus der Gegnerschaft des Projekts erläutert Rikli dass es hier um grobe persönlichkeitsverletzende Äusserungen geht, welche eingeklagt wurden. (Auszug aus dem Protokoll)

Ganz ähnlich doppelte CEO Kurt Bobst nach: „Bobst ergänzt, dass bei der Klage gegen persönlichkeitsverletzende Aussagen vorgegangen wird, die sehr weit unter der Gürtellinie liegen.“

Kurt Bobst spricht von „Anschuldigungen weit unter der Gürtellinie“, „Falschaussagen“ und „Lügen“ der Gegner des Kohlekraftwerks als Begründung für die Klage. Repower Generalversammlung 2014. Ausschnitt aus News-Beitrag von Tele Südostschweiz.


Der zentrale Hinweis auf persönliche Verletzung ist nachvollziehbar, da die Aktivisten wiederholt Fabio Bocchiola scharf angriffen, wie unten erläutert wird.

Ausserdem wurde an der Generalversammlung diese Frage gestellt: „Ist es tolerierbar, dass die Tochtergesellschaft SEI Entscheidungen fällt, die nicht mit Repower abgesprochen sind? Kurt Bobst hätte ganz einfach verneinen können. Er präzisierte: „Der Verwaltungsrat der SEI hat die Klageerhebung abgesegnet.“

Die Klage ist also sehr wohl eine Sache der Repower, trotz des anfänglichen Versuchs, dies zu bestreiten.

Fabio Bocchiola wurde in verschiedenen Karikaturen mit langer Nase dargestellt in dieser auch als Gewinner des «Pinocchio-Preises 2010» bezeichnet. "Es wäre eine gute Gelegenheit um den Tourismus in der Gegend wieder anzukurbeln ... und auch für die Fischerei ... es gibt absolut keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit", wird Bocchiola zitiert.
Fabio Bocchiola wurde in verschiedenen Karikaturen mit langer Nase dargestellt in dieser auch als Gewinner des «Pinocchio-Preises 2010» bezeichnet. „Es wäre eine gute Gelegenheit um den Tourismus in der Gegend wieder anzukurbeln … und auch für die Fischerei … es gibt absolut keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit“, wird Bocchiola zitiert.

Diverse der umstrittenen Karikaturen der Klage zielen direkt auf Fabio Bocchiola. Repower wirft den Kohlegegnern Lügen vor (s. Video von Kurt Bobst, oben). Aktivisten in Kalabrien werfen dasselbe der SEI/Repower vor. Wer hat recht?

Betrachtet man die beiden für die Kalabresen umstrittensten Themen, nämlich:

  • die Folgen des Kraftwerks für die Gesundheit und
  • die Zahl der Arbeitsplätze, die das Kraftwerk schaffen würde, …

… lässt sich ein Vergleich anstellen.

Zuerst zu den Arbeitsplätzen
Grosse Gelegeheiten! Plakat von SEI/Repower. Links wird behauptet 1500 Personen würden während dem Bau des Kraftwerks ein Einkommen haben und 300 während des Betriebs. In der Strasse wurde das abgebildete Plakat teilweise überklebt mit: "Für jeden Angestellten werden wegen der durch das Kraftwerk verursachten Krankheiten sechs Personen sterben."
Grosse Gelegeheiten! Plakat von SEI/Repower. Es wird behauptet, 1500 Personen würden während dem Bau des Kraftwerks ein Einkommen haben und 300 während der Betriebsphase. In der Strasse wurde das abgebildete Plakat teilweise überklebt mit: „Für jeden Angestellten werden wegen der durch das Kraftwerk verursachten Krankheiten sechs Personen sterben.“

Auf einem Plakat schrieb die SEI, für den Betrieb des Kraftwerks würden 300 Arbeitsplätze geschaffen, siehe Bild oben. Für den Bau werden 1’500 Arbeitsplätze versprochen. Nicht um grosse Zahlen verlegen — ausser wenn es um die Investitionskosten für das Kraftwerk geht — stockte die Repower im Rahmen ihrer Kampagne gegen die Kantonalbündnerische Initiative «Ja zu sauberem Strom ohne Kohlekraft» die Zahl grosszügig auf, ungeachtet der Proteste in Kalabrien gegen die notorischen Übertreibung der Beschäftigungswirkung durch die SEI.

Mit ihrem Politcampaigner Livio Zanolari schrieb die Repower auf ihrer Website, „im Kraftwerksbetrieb“ gäbe es 900 Neubeschäftigte. Auch bei der Zahl der Beschäftigten in der Realisierungsphase wurde nochmal nachgelegt: 1’900 behauptete der Hauptsitz, dabei die Behauptung der Repower-Tochter SEI (1’500 Arbeitsplätze) übertreffend:

Auszug aus der Website von Repower. Hier ist von beträchtlichen 900 Arbeitsplätzen die Rede.
Auszug aus der Website von Repower. Hier ist sogar von beträchtlichen 900 Arbeitsplätzen im Betrieb die Rede, nachträglich rot hervorgehoben. Auch bei den „Neubeschäftigten“ in der Realisierungsphase hat Repower die Zahl noch einmal aufgestockt.

Die Gegner des Kraftwerks in den Reihen des «Coodinamento»  behaupteten dagegen auf ihrer Website nocarbonesaline.it, es seien 140 Arbeitsplätze.

Bildschirmfoto der Website von nocarbonesaline.it. Es werden die 300 Arbeitsplätze aufgeführt, von denen die SEI spricht und den 140 Arbeitsplätzen gegenübergestellt, die tatsächlich zu erwarten wären. Die Fehlbehauptung war sogar Thema in der nationalen Presse gewesen. Die betreffende Seite auf nocarbonesaline.it behandelt die «Inchiesta» von La Repubblica,
Bildschirmfoto der Website von nocarbonesaline.it mit Hervorhebung der Arbeitsplatzzahlen. Es werden die 300 Arbeitsplätze aufgeführt, von denen die SEI spricht, und den 140 Arbeitsplätzen gegenübergestellt, die tatsächlich zu erwarten wären, was die SEI selbst eingestanden habe. Die Übertreibungen der SEI bezüglich Beschäftigungswirkung des Kraftwerks war sogar Thema in der nationalen italienischen Presse gewesen. Die betreffende Seite auf nocarbonesaline.it behandelt die «Inchiesta» von La Repubblica.

Im Umweltverträglichkeitsbericht, den Repower als wichtigen Teil des Antrags auf Bewilligung einreichte, steht: 143 Personen sollen demgemäss das Kraftwerk beim Betrieb beschäftigen. 48 weitere sollen in externen Betrieben Arbeit erhalten und weitere rund 150 Arbeitsplätze sollen in Zulieferbetrieben in der Region entstehen.

143 Direktbeschäftigte in der Betriebsphase, 48 in externen Firmen Beschäftigte und etwa 150 Stellen in Zulieferbetrieben der Region. Soviel Beschäftigungswirkung machte SEI/Repower im Bewilligungsgesuch geltend. Ausschnitt von Seite 35 (Parere VIA n. 559 Saline Joniche).
143 Direktbeschäftigte in der Betriebsphase, 48 in externen Firmen Beschäftigte und etwa 150 Stellen in Zulieferbetrieben der Region. Soviel Beschäftigungswirkung machte SEI/Repower im Bewilligungsgesuch geltend. Ausschnitt von Seite 35 (Parere VIA n. 559 Saline Joniche). Vergrösserte Einzelansicht.

Während die erste Zahl, 143 Stellen im Kraftwerk, im Vergleich mit ähnlichen Kraftwerken plausibel ist, dürfte es sich bei den Angaben zu den indirekt Beschäftigten um grosszügige Annahmen und Behauptungen handeln, denn die indirekte Beschäftigungswirkung ist marginal, wie man von jungen vergleichbaren Kohlekraftwerken in Deutschland weiss. Jedenfalls:

Die Behauptung der SEI ist im zweifelloss wichtigsten Dokument: maximal knapp 350 Arbeitsplätze während des Betriebs, zusammengenommen in Kraftwerk und indirekt in der Region.

"Nach der Redimensionierung der Arbeitsplätze von 500 auf 140, ..." in Beitrag «Centrale a carbone: SEI-REpower giù la maschera!» vom 13. Januar 2012 auf nocarbonesaline.it.
„Nach der Redimensionierung der Arbeitsplätze von 500 auf 140, …“ durch SEI/Repower. Beitrag «Centrale a carbone: SEI-REpower giù la maschera!» vom 13. Januar 2012 auf nocarbonesaline.it.

Von 500 auf 140 habe die SEI die behauptete Zahl der Arbeitsplätze reduziert, schrieb das Comitato auf nocarbonesaline.it am 13. Januar 2012 (s. Ausschnitt oben). Reduziert hat die SEI ihre Behauptung aber nicht wirklich, oder widersprach der Revision gleich wieder, wie im folgenden Bild, bzw. Textauszug belegt ist. In dieser Medienmitteilung behauptete die SEI/Repower im Juli 2012 die Zahl von 480 Beschäftigten, aufgrund von unter anderem einer „vorsichtigen Hypothese“ und mit Bezug auf eigene Dokumente. Allerdings, steht die behauptete Gesamtheit der Arbeitsplätze („480“) im Widerspruch zum relevanten Dokument von SEI/Repower selbst (zusammengefasst, rund 350, s. oben).

480, also fast 500 direkte und indirekte Arbeitsplätze im Betrieb machte in ihrer Medienmitteilung vom 20. Juli 2012 die SEI/Repower geltend. Sie beklagt sich darin, dass die Gegner des Kraftwerks die Zahl 140 verwenden.
480, also fast 500 direkte und indirekte Arbeitsplätze im Betrieb machte die SEI/Repower geltend. Sie beklagt sich darin, dass die Gegner des Kraftwerks die Zahl 140 verwenden. Medienmitteilung der SEI vom 20. Juli 2012.

Die Diskrepanzen bezüglich Arbeitsplatz zusammengefasst:

  • Beide Seiten interpretieren die Zahlen gerne, wie es ihnen passt, wobei die Gegner des Kraftwerks zweifellos näher an der Wahrheit sind (weil die indirekte Beschäftigungswirkung marginal ist), während SEI/Repower ihre eigenen Zahlen überbietet, dabei aber behauptet, sich an die eigenen Zahlen zu halten.
  • Der Hauptsitz der Repower liegt mit behaupteten 900  Arbeitsplätzen weit über den Behauptungen der eigenen Tochtergesellschaft SEI, die gegenüber den Behörden 143 direkte bzw. knapp 350 direkte und indirekten Arbeitsplätze geltend machte. Die deutlich längste Nase haben sich in der Diskussion um die Beschäftigungswirkung des Kraftwerks, die Repower-Leute in der Schweiz, Livio Zanolari, Kurt Bobst und Felix Vontobel verdient.
Zur Diskussion um die Gesunheitsfolgen des Kraftwerks

Im Herbst 2012 veröffentlichte Greenpeace Italien ein Faktenblatt („Briefing„), das für Saline Joniche 44 vorzeitige Todesfälle postulierte. Die Berechnung beruhte auf einer anerkannten Methode der Europäischen Umweltagentur (European Environmental Agency, EEA).

Externe Kosten (357 Millionen Euro pro Jahr) und Todesfälle (44 pro Jahr) im Zusammenhang mit dem Projekt Kohlekraftwerk Saline Joniche. Greenpeace Briefing, Oktober 2012.
Externe Kosten (357 Millionen Euro pro Jahr) und Todesfälle (44 pro Jahr) im Zusammenhang mit dem Projekt Kohlekraftwerk Saline Joniche. Greenpeace Briefing, Oktober 2012. Einzelansicht Auszug Greenpeace Briefing.

Mittels derselben Methode hatte zuvor das niederländische Institut Somo die Gesundheitsfolgen der Kohlekraftwerke der italienischen ENEL berechnet («ENEL Today and Tomorrow»). Aufbauend auf diesem Resultat wies Greenpeace in einer Informationskampagne darauf hin, dass die Kraftwerke der ENEL täglich einen Menschen töten („Uno al Giorno„). ENEL klagte Greenpeace wegen dieses Vergleichs ein und kritisierte die Methode. Greenpeace gewann diese gerichtliche Auseinandersetzung klar. Es handle sich um eine gerechtfertigte und wissenschaftlich fundierte Kritik, hielt das Gericht fest.

Die in diesem Fall angewandte Methode berücksichtigt aber den genauen Standort eines Kraftwerks innerhalb eines Landes nicht. Ein Kraftwerk wird bei dieser Methode nur in Abhängigkeit der Emissionen bewertet, eine spezielle Lage nahe an Ballungszentren oder am Rand bewohnter Gebiete, wie im Fall des Küstenstandorts Saline Joniche, wird nicht berücksichtigt.

Frühzeitige Todesfälle wegen der Kohlekraftwerke in Europa in den einzelnen Quadraten mit 50 Kilometer Seitenlänge. Blaue Punkte: Kohlekraftwerke mit den meisten Emissionen. «Silent Killers», Greenpeace 2013. S. 33.
Frühzeitige Todesfälle wegen der Kohlekraftwerke in Europa in den einzelnen Quadraten mit 50 Kilometer Seitenlänge. Blaue Punkte: Kohlekraftwerke mit den meisten Emissionen. «Silent Killers», Greenpeace 2013. S. 33. Vergrösserte Einzelansicht. Die Luftschadstoffe kennen keine Grenzen.

In einer Folgestudie des Instituts für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung, IER, der Universität Stuttgart wurden zusätzlich die Luftströmungen und der genaue Standort der verschiedenen Kraftwerke berücksichtigt und die Resultate im Juni 2013 im Bericht «Silent Killers» publiziert. Das Resultat: Basierend auf den Emissionsdaten des Bewilligungsgesuchs verursacht das in Saline Joniche geplante Kohlekraftwerk jährlich 25 frühzeitige Todesfälle.

Auszug aus der Resultatetabelle des Greenpeace Berichts «Silent Killers», basierend auf der Studie der Universität Stuttgart.
Auszug aus der Resultatetabelle, welche  dem Greenpeace Bericht  «Silent Killers» zu Grunde liegt. Studie des IER der Universität Stuttgart. Grösser in der Einzelansicht. Die ganze Datenbank wird Medienschaffenden auf Anfrage zur Verfügung gestellt.

Die alten Kohlekraftwerke Europas töten in der EU ähnlich viele Menschen (22’100), wie Verkehrsunfälle (34’500). Selbst in der Schweiz verursachen diese im Ausland stationierten Kraftwerke jährlich eine stattliche Zahl von frühzeitigen Todesfällen (Bild „Frühzeitige Todesfälle“, oben).
Luftverschmutzung ist auch in der bezüglich Lufthygiene vorbildlichen Schweiz ein grosses und ein oft unterschätztes Problem. Vielleicht wird es unterschätzt, weil es nicht nur hausgemacht ist. Eine junge Publikation des Bundesamts für Umwelt, BAFU, und des Kollegiums für Hausarztmedizin weist darauf hin, dass Luftschadstoffe keine Landesgrenzen kennen. Sie beziffert mit Bezug auf eine Studie von Ecoplan und Infras die Anzahl der durch Luftverschmutzung bedingten frühzeitigen Todesfälle in der Schweiz auf jährlich 3’000, zehn mal mehr als Todesfälle durch Strassenverkehrsunfälle. Die Anzahl der verlorenen Lebensjahre wegen Luftverschmutzung beträgt in der Schweiz 30’000. Der Bericht hält fest: „Die luftverschmutzungsbedingten Gesundheitskosten betrugen im Jahr 2010 CHF 4 Mia.“ Das sind fast 500 Franken pro Person und Jahr.

Tod aus dem Schlot. Titelbild des Berichts über die Gesundheitsfolgen der Kohlekraftwerke in Deutschland. Die dem Bericht zu Grunde liegenden Resultate der Universität Stuttgard wurden mit derselben Methode und durch das gleiche Institut ermittelt, wie die 25 jährlichen Todesfälle, die das Kraftwerk in Saline Joniche verursachen würde.
Tod aus dem Schlot. Titelbild des gleichnamigen Berichts über die Gesundheitsfolgen der Kohlekraftwerke in Deutschland. Die dem Bericht zu Grunde liegenden Resultate der Universität Stuttgard wurden mit derselben Methode und durch das gleiche Institut ermittelt, wie die 25 jährlichen Todesfälle, die das Kraftwerk in Saline Joniche verursachen würde.

Die Kamine des Kohlekraftwerks in Saline Joniche würden gemäss Bewilligungsgesuch weniger Schadstoffe ausstossen, als die EU zur Zeit prinzipiell zulässt — knapp die Hälfte. Diese Feststellung von SEI/Repower ist richtig. Jedoch ist dies, anders als Repower es glauben zu machen versucht, überhaupt nicht aussergewöhnlich. Alle Kraftwerke, die in Westeuropa in der letzten Neubauwelle bewilligt wurden, liegen bezüglich Schadstoffausstoss pro Kilowattstunde (oder pro Kubikmeter) mit dem in Saline Joniche geplanten Kraftwerk in etwa gleichauf. Andere Gesuche hätten wegen der Immissionen, welche die Kraftwerke durch ihre Emissionen verursachen und weil die Anlage nicht dem Stand der Technik entsprechen würde, keine Chance, bewilligt zu werden.
Ein Versuch, ein Kraftwerk mit einem Schadstoffausstoss nahe an den prinzipiell zulässigen EU-Emissionsgrenzwerten zu bauen, läge auch nicht ausgesprochen im Interesse der Repower oder ihrer Partner in der SEI. Schon eine geringfügige Verschärfung der Europäischen Emissionsvorschriften für die Industrie würde extrem teure Nachrüstungen der Filteranlagen bewirken. Laufende Verschärfungen der Luftreinhaltevorschriften sind gängig und weiter absehbar, denn auch neue Kohlekraftwerke sind sehr erhebliche Luftverschmutzer.

Eine allfällige behördliche Zulassung von Luftverschmutzung bedeutet nicht, dass diese Luftverschmutzung unbedenklich wäre.
Trotz der überwältigenden Faktenlage bestritt Repower stets schädlichen Auswirkungen des Schadstoffausstosses und behauptete, das in Saline Joniche geplanten Kohlekraftwerk sei bezüglich Schadststoffausstoss und Effizienz eine besonders vorbildliche Anlage. Die Angst der Bevölkerung um die Gesundheit sei „bewiesenermassen unbegründet“, wurde CEO Kurt Bobst im Bündner Tagblatt zitiert [«Stromkonzern am Ende der (ersten) Welt». Bündner Tagblatt, 21. November 2012.].

"Wir haben uns mit grosser Vorsicht bewegt, als wir beschlossen haben, in die Welt der Kohle einzutreten", wird Fabio Bocchiola zitiert, "weil der erste Schritt bestand genau darin, die öffentliche Gesundheit war für uns das entscheidende Element, ob wir ein Kohlekraftwerk wagen wollen, oder eher nicht." Die Aktivisten kommentieren: "Schade, dass der nächste Schritt darin bestand, alle medizinischen Studien komplett zu ignorieren, die feststellen, dass Kohle der schmutzigste fossile Brennstoff ist und die erste Ursache von Todesfällen." Die vielen Toten, welche die Weltgesundheitsorganisation der Kohleverbrennung zuschreibt, seien für die SEI nur Hypochonder. (http://www.nocarbonesaline.it/joomla/index.php?option=com_content&view=article&id=142:centrale-a-carbone-sei-repower-giu-la-maschera&catid=38:comunicati-stampa&Itemid=54)
„Wir haben uns mit grosser Vorsicht bewegt, als wir beschlossen haben, in die Welt der Kohle einzutreten“, wird Fabio Bocchiola auf nocarbonesaline.it zitiert, „weil der erste Schritt bestand genau darin, die öffentliche Gesundheit war für uns das entscheidende Element, ob wir ein Kohlekraftwerk wagen wollen, oder eher nicht.“ Die Aktivisten kommentieren: „Schade, dass der nächste Schritt darin bestand, alle medizinischen Studien komplett zu ignorieren, die feststellen, dass Kohle der schmutzigste fossile Brennstoff ist und die erste Ursache von Todesfällen.“ Die vielen Toten, welche die Weltgesundheitsorganisation der Kohleverbrennung zuschreibt, seien für die SEI nur Hypochonder. Vergrösserte Einzelansicht.

In der «Südostschweiz» wurde berichtet (Zitat): Bocchiola ist unumstösslich in seiner Überzeugung, dass ein modernes Kohlekraftwerk, wie es Repower in Kalabrien plant, keinerlei gesundheitliche Risiken für die Bevölkerung darstellt. «Wenn unser Kohlekraftwerk Kinder krank machen würde, müssten sie jemand anderen suchen, der es baut». (Ganz so, als ob jemand Repower gebeten hätte, das Kraftwerk zu bauen.) [ «Wenn ihr mir keine Arbeit gebt, hole ich das Gewehr und erschiesse euch». Stefan Bisculm. Die Südostschweiz, 30. Oktober 2012.]

Bocchiola
Bocchiola wird als Kapitalist dargestellt, der, SEI/Repower verkörpernd, „auf Kosten unserer Leben“ Milliarden einzuheimsen versucht: „Ich stosse auf eure Gesundheit an und trickse, dass ihr keine habt!“ Und Bocchiolas Aussage wird zitiert, Kohlendioxidgas sei nicht schädlich für die Gesundheit, eine Halbwahrheit, die in Kalabrien nicht gut ankam, als Sachverhalt etwas sehr komplex ist, um Bocchila gleichzeitig korrekt und wirksam zu widersprechen. Dass CO2 in den Konzentrationen, die wegen der Verbrennung fossiler Energieträger auftreten werden, nicht akut toxisch ist, ist unumstritten. In hohe Konzentration ist es tödlich. Damit nehmen die Kalabresen auch Bocchiolas Hang zu Provokationen und Halwahrheiten hoch. (Ob massgeblich erhöhte Konzentrationen von CO2 langfristig gesundheitsschädigend sind, ist nicht geklärt. Indirekte negative Auswirkungen von CO2 auf die Gesundheit wegen Klimawandel müssen eindeutig erwartet werden.)

Während die Argumentation des «Coordinamento» auf ihrer Website bezüglich der Schädlichkeit von CO2 weder korrekt noch nützlich ist (Bild oben «L’anidride carbonica non è dannosa per la salute, ipse dixit Bocchiola» mit Legende), hatte SEI/Repower diesbezüglich schon längst über die Stränge geschlagen und das schlechte Beispiel vorgelebt, dabei Argumente verwendet, die zwar nicht falsch sind, aber so irreführend, dass sie besonders bei den hartgesottenen professionellen Klimawandelsleugnern anzutreffen sind.

Aussagen über CO2, wie sie von Klimawandelsleugnern in den USA verwendet werden. Auszug aus dem Promotionsvideo von SEI/Repower.  


Selbst Regierungsrat Mario Cavigelli liess sich anregen, das irreführende Argument zu bemühen, CO2 sei natürlich, wohl um zu suggerieren es sei harmlos.

"CO2 stossen wir auch mit unserem Atem aus." Im Vorfeld der Abstimmung über die Inititative «Für sauberen Strom ohne Kohlekraft» liess sich der für Repower zuständige Bündner Regierungsvertreter mit dem irreführenden Argument der SEI auf die Äste hinaus. Mario Cavigelli im Interview mit Stefan Bisculm. «Die Südostschweiz», 10. August 2013.
„CO2 stossen wir auch mit unserem Atem aus.“ Im Vorfeld der Abstimmung über die Inititative «Für sauberen Strom ohne Kohlekraft» liess sich der für Repower zuständige Bündner Regierungsvertreter mit dem irreführenden Argument der SEI auf die Äste hinaus, CO2 sei natürlich. Mario Cavigelli im Interview mit Stefan Bisculm. «Die Südostschweiz», 10. August 2013.

Bezüglich der Schädlichkeit oder Unschädlichkeit von CO2, liegen die beiden Seiten etwa gleichauf, scheuen sich nicht, Halbwahrheiten und Scheinwahrheiten zu verbreiten. Keine Frage, manchen Kohlegegnern in Kalabrien kann vorgeworfen werden, zum Teil unsachlich zu argumentieren, eine Methode, die SEI von Anfang an anwendete und sogar von der Regierung Graubündens übernommen wurde.

Im Vordergrund die Liquichimica, die in den 70-er Jahren Bioproteine aus Erdöl herstellen sollte. An diesem Standort soll das Kohlekraftwerk der SEI/Repower entstehen. Bild: WWF Italien.
Im Vordergrund die Liquichimica, die in den 70-er Jahren Bioproteine aus Erdöl herstellen sollte. An diesem Standort soll das Kohlekraftwerk der SEI/Repower entstehen. Bild: WWF Italien.

Auf das Plakat von SEI/Repower mit den Zahlen zur Beschäftigung (Bild weiter oben) schrieb ein Kohlekraftgegner, das Werk würde für jeden im Kraftwerk Angestellten 6 Menschen umbringen. Das wäre bei den ermittelten 25 Toten pro Jahr tatsächlich innerhalb von 35 Betriebsjahren der Fall. Das mit Übertreibungen und widerlegten Lügen dotierte Arbeitsplatzargument von SEI Repower relativiert sich dadurch dramatisch.

Beim beantragten Schadstoffausstoss würden innerhalb von 35 Betriebsjahren sechs mal mehr Leute sterben als im Werk beschäftigt wären. Das mit belegten Übertreibungen dotierte Arbeitsplatzargument von SEI-Repower relativiert sich damit dramatisch.

Beim Verbreiten von offenkundigen Lügen hat die SEI die Nase eindeutig vorn, übertroffen wird sie jedoch von ihrer Muttergesellschaft Repower. Es sollte darum nicht erstaunen, wenn auskommt, dass die Repower ihrerseits vor Verleumdung und Rufschädigung nicht zurückschreckt.

"Es wäre eine schöne Gelegenheit für ... die Fischerei ..." ... um der Vergiftung zu entkommen, werden die Fische aus den Netzten der Fischer springen. Graphik der Kohlegegner des Coordinamento Associazioni Area Grecanica (nocarbonesaline.it).
„Es wäre eine schöne Gelegenheit für … die Fischerei … um der Vergiftung zu entkommen, werden die Fische ins Netz der Fischer springen.“ Graphik der Kohlegegner des Coordinamento Associazioni Area Grecanica (nocarbonesaline.it).

Die plausible Ursache für die Klage

Viele der umstrittenen Graphiken zielen auf den Chef von Repower in Italien, Fabio Bocchiola, und stellen ihn als Pinocchio dar.

Analysiert man die Auseinandersetzung um die Millionenklage, entsteht der Eindruck, sie habe primär diesen Zweck: Fabio Bocchiola versucht, sich wegen der auf seine Person gemünzten Angriffe zu rächen.


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