Die Entfernung von CO2 aus der Luft macht die Lösung des CO2-Problems greifbar. CO2-Entfernung muss für jetzt verlangt werden, solange die Verursacher zur Übernahme der Kosten verpflichtet werden können. Denn später, wenn mehr CO2 entfernt werden müsste, als noch ausgestossen wird, kann diese netto CO2-Entfernung kaum finanziert werden. Paradoxerweise steht die Phantasie von netto CO2-Entfernung in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts hoch im Kurs, während die Notwendigkeit der zeitnahen CO2-Entfernung verkannt und die Möglichkeit sogar meist geleugnet wird. Sowohl diese weitverbreitete Leugnung als auch die Spekulation auf netto negative Emissionen schaden den Anstrengungen zur Begrenzung der globalen Temperaturerhöhung.
Netto null CO2-Ausstoss ist das Gebot unserer Zeit, denn das Treibhausgas akkumuliert. Ein sehr grosser Anteil des Treibhausgases verbleibt sehr lange in der Atmosphäre. Viele Emissionen lassen sich aber nicht vermeiden, ausser es würde auf viele Energiedienstleistungen wie die Luftfahrt verzichtet. Um netto null Emissionen zu erreichen, muss dieses CO2 zeitnah aus der Luft genommen werden. Es kann bereits wieder aus der Luft genommen werden.
Wälder sind schön und gut, werden uns aber nicht retten
Es gibt verschiedene Methoden für die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre. Umweltschützer lieben oft die Idee, Bäume zu pflanzen oder Kohlenstoff in Böden einzulagern. Meist ignorieren sie die gewichtigen Probleme der CO2-Abscheidung aus der Luft, die auf Biologie abstellt: Das Potenzial von Aufforstung mag grösser sein, als bisher gedacht wurde, aber es bleibt zu klein. Oft haben Wälder sogar eine erwärmende statt eine kühlende Wirkung (wegen der Absorption von Solarstrahlung durch Vegetation). Es besteht das Risiko der Umkehrung durch Brände oder Wiederabholzung. Dieses Risiko ist viel erheblicher als beim Einbringen von CO2 in dafür geeignete Formationen der Erdkruste. Die Option Waldzuwachs sollte darum eher zuletzt zum Einsatz kommen als zuerst.
Die Krux mit BECCS
Neben Aufforstung und Wiederaufforstung wird BECCS häufig diskutiert (Bio Energy, Carbon Capture, Sequestration): Photosynthese verwandelt CO2 in Biomasse. Ihr Kohlenstoff wird verbrannt oder anderswie in CO2 umgewandelt und bleibend in der Erdkruste eingelagert (Sequestrierung). Neben Aufforstung figuriert im Moment nur BECCS prominent in den Szenarien des Weltklimarats, IPCC. Die Bedeutung des unbeliebten BECCS in den Szenarien dürfte ein Grund dafür sein, dass Umwelt- und Klimaschützer die technologische CO2-Entfernung aus der Luft oft grundsätzlich ablehnen.
Nicht alle, aber potenziell sehr bedeutende Formen von BECCS sind zweifellos ökologisch problematisch und das realisierbare Potenzial dürfte allzu gering sein, sogar um relativ bescheidene CO2-Emissionen aus Kohle, Erdöl oder Erdgas (zeitnah) auszugleichen. Oft wird die Konkurrenz von BECCS zur Produktion von Nahrungsmitteln hervorgehoben. Die Sorge ist berechtigt. Im Fall von Auf- und Wiederaufforstung ist diese Konkurrenz jedoch noch viel erheblicher und das Potenzial der CO2-Entfernung noch viel geringer.
Das Risiko der allzu kurzfristigen Wiederfreisetzung des Kohlenstoffs als CO2 besteht wie bei Aufforstungen auch bei der Einlagerung von Kohlenstoff aus Biomasse in Humus.
DAC ist unverzichtbar
Die direkte technische Filterung von CO2 aus der Luft (Direct Air Capture, DAC) mit Sequestrierung des CO2 (DACS oder DACCS) ist erprobt und umweltfreundlich, teuer als BECCS oder Aufforstung, aber bereits bezahlbar.
Die CO2-Entfernung aus der Luft ist notwendig und da
Artikel auf klimaatelier.ch
Die CO2-Entfernung mit dieser Methode ist für praktische Zwecke quantitativ nicht begrenzt. Beschränkt ist die CO2-Entfernung mit rein technischen Mitteln hingegen durch die fehlende Finanzierung bzw. die mangelnde Zahlungsbereitschaft.
Für die Finanzierung der technischen Entnahme von CO2 aus der Luft sind zwei Konzepte denkbar:
- CO2-Entfernung, jetzt: Die Technologie so schnell wie möglich einsetzen. Mit diesem Konzept wird bald CO2 in überschaubaren Mengen entfernt, um schnell netto null CO2-Emissionen zu erreichen. Wer CO2 ausstösst, bezahlt für die zeitnahe Wiederentnahme des Treibhausgases durch eine hohe CO2-Abgabe. Dank der hohen CO2-Abgabe sinken die Emissionen rasch und es muss nur wenig CO2 wieder in den Untergrund eingebracht werden; oder gar keines, wenn rechtzeitig eine Kohlenstoff-Kreislaufwirtschaft realisiert wird, also mit CO2 aus der Luft und Wasserstoff aus Wasser synthetische Energieträger produziert werden.
- Netto CO2-Entfernung in riesigen Mengen, in vielen Jahrzehnten (angeblich): Die gründliche Reduktion von CO2-Emissionen weiter aufschieben, das CO2-Budget überziehen und behaupten, die jetzt jungen Menschen, ihre Kinder und Enkel könnten in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts die bis dann zu viel ausgestossene Menge des Treibhausgases wieder aus der Luft nehmen, also netto CO2-Entfernung realisieren — der ‹Generationenbetrug›.
‹Netto negative CO2-Emissionen› bedeutet: Es wird mehr Kohlenstoffdioxid der Luft entnommen, als zu diesem Zeitpunkt noch Emissionen stattfinden. Die Finanzierung von netto CO2-Entfernung müsste durch Subventionen geschehen, da es (netto) keine Verursacher mehr gibt, die noch für die Übernahme der Kosten verpflichtet werden können. Alles überschüssige, ‹netto› wieder aus der Luft entfernte CO2 müsste sequestriert, also bleibend im Untergrund eingespeichert werden.
So erstaunlich es sein mag, die UNO und der Weltklimarat (IPCC) schlagen — in gigantischem Ausmass — das zweite Konzept vor. Die Szenarien des IPCC gehen davon aus und postulieren, es könne netto CO2-Entfernung geben. Alle mit 1,5 Grad Temperaturerhöhung kompatiblen Szenarien des IPCC sehen netto CO2-Entfernung aus der Luft sogar in gigantischen Mengen vor (Diagramme oben und unten).
Die Entwertung der Zukunft und eine ungerechtfertigte Annahme
Die Szenarien mit netto CO2-Entfernung sind Resultate von Modellrechnungen. Die Simulationen produzieren netto negative Emissionen besonders aufgrund von zwei Annahmen:
- Die Abwertung der Zukunft, die sogenannte Diskontierung. Schäden und Kosten in der Zukunft werden geringer bewertet, als Schäden und Kosten heute, zum Teil viel geringer. Szenarien mit netto CO2-Entfernung sind eine Folge hoher Diskontierung. (Glen Peters dazu mündlich und schriftlich. Vgl. auch Legende zu Diagramm 4.)
- Es wird davon ausgegangen, dass in wenigen Jahrzehnten jemand bereit sein würde, die Kosten der Netto-Wiederentfernung gigantischer Mengen CO2 zu tragen, obschon bei netto CO2-Entfernung keine Verursacher mehr zur Kostenübernahme verpflichtet werden können. Für diese Annahme gibt es keine objektive Begründung.
Die Modellrechnungen produzieren Szenarien geringster Kosten, unabhängig davon, ob diese Kosten getragen werden. In vielen Simulationen steigen die CO2-Preise in sozusagen astronomische Höhen, zum Teil mehrfach höher als den heutigen Kosten der vergleichsweise teuren, rein technischen CO2-Entfernung entspricht (Diagramm 6). Dies ist primär eine Folge der Diskontierung der Zukunft.
Ein gewisses Mass an Diskontierung ist in Fachkreisen unbestritten. Wegen der Diskontierung wird jedoch die Vermeidung von CO2-Emissionen zeitlich nach hinten verschoben und es werden Szenarien mit sehr grossen Mengen netto wiederentferntem CO2 errechnet, wie Glen Peters bzw. William Nordhaus berichten.
Der Einfluss der Diskontierung auf die errechnete netto CO2-Entfernung wurde lange wenig beachtet. Eine neue Studie zeigt aber auf, wie sehr eine hohe Diskontierung die netto negativen Emissionen vergrössert, den Zeitpunkt mit netto null Emissionen in die Zukunft verschiebt und die Lasten für spätere Generationen erhöht. Wie die Diskontierung erhöht auch die Anzahl der Optionen zur CO2-Entfernung die Last für spätere Generationen, weil dann in den Simulationen jede der Optionen erst spät in erheblichem Umfang eingesetzt wird. (Emmerling et al., 2019; Figure 3)
Stehen sowohl BECCS als auch DACS für die CO2-Entfernung zur Verfügung und soll ein (mit etwa 1,5-Grad Temperaturerhöhung kompatibles) Budget von 400 Milliarden Tonnen CO2 respektiert werden, errechnet das für die Untersuchung verwendete IAM (Integrated Assessment Modell) bei 8% Diskontierung bis in das Jahr 2100 1’000 Gigatonnen netto negative Emissionen (250% eines angenommenen Budgets von 400 Gt). Bei einem angenommen Budget von 1’600 Gt resultieren noch stolze 500 Gigatonnen netto CO2-Entfernung, die rund zwölffache Menge der aktuellen jährlichen weltweiten Emissionen.
Dasselbe Modell errechnet jedoch schon bei 1% Diskontierung netto CO2-Entfernung: Das 400-Gigatonnen-Budget wird um 75% überstrapaziert, 300 Gigatonnen CO2 müssen also netto wiederentfernt werden. Selbst bei dieser unüblich geringen Diskontierungsrate (1%) errechnet das Modell erst bei einem Budget von 1’600 Gigatonnen keine netto CO2-Wiederentfernung. Schon bei 2% Diskontierung berechnet das Modell für alle untersuchten CO2-Budgets netto CO2-Wiederentfernung. (Emmerling et al., 2019; Figure 1)
Um zukünftige Generationen nicht zu sehr zu benachteiligen, empfehlen die Autoren eine gemässigtere Diskontierung von 2-3 Prozent anstelle der üblichen 5-6 Prozent.
Trotz des starken Effekts der Diskontierung sollte diese Diskussion nicht davon ablenken (eher aufzeigen), dass die Diskontierung nicht das Hauptproblem ist.
Netto CO2-Entfernung ist aus einem anderen Grund nicht plausibel: Weil nicht dafür bezahlt werden wird. Die netto CO2-Entfernung sollte darum in den Simulationen ausgeschlossen werden, aus denen allenfalls Empfehlungen für die Welt abgeleitet werden. Tiefere als bisher übliche Diskontierungsraten lösen das Hauptproblem nicht, weil auch sie zu Szenarien mit erheblichen netto negativen Emissionen führen.
Die Erfindung einer Utopie
Stefan Schäfer und Oliver Geden schrieben, die Politik habe die Szenarien mit netto CO2-Entfernung «beim IPCC bestellt, aber nie abgeholt.» Es ist umgekehrt: Die Regierungen der Welt haben die Idee nicht bestellt, aber die Regierungen von Industrienationen haben sie gerne und diskret abgeholt.
Die Idee von netto CO2-Entfernung entstammt unerbeten der Klimaforschung (Obersteiner, 2001; IPCC, 2005, S. 68; IPCC, 2008; Diagramm 3; Hickman, 2016). Die Idee fällt bei den Regierungen von Industrienationen aber auf fruchtbaren Boden.
Die Ursache für die Idee von netto negativen CO2-Emissionen ist Wunschdenken, die menschliche Tendenz, für wahr zu halten, was wünschenswert ist. Der Glaube an die Machbarkeit von netto CO2-Entfernung rechtfertigt Bequemlichkeit und entlastet von Schuldgefühlen. Ohne dieses Wunschdenken wäre die Idee, es würde möglich sein, in Jahrzehnten Hunderte von Gigatonnen CO2 wieder aus der Atmosphäre zu entfernen, nie aufgekommen — oder die Idee wäre nie aufgenommen worden.
Das Wunschdenken, das zur willkommenen weil schuldentlastenden Idee von netto CO2-Entfernung führt, ist zweifellos in der Politik stark vorhanden, bei Klimaschützern auch, denn erstaunlich viele von ihnen glauben auch an die netto CO2-Entfernung. So entsteht und verbreitet sich ein Irrglaube wie bei einem Cargo-Kult. Anders als bei einem Cargo-Kult hat der Irrglaube verheerendes Potenzial, für die Menschheit insgesamt und darüber hinaus.
In der Wissenschaft bietet sich die Chance, sich mit einer spektakulären und guten, ja erlösenden Nachricht beliebt zu machen: Wir können anderen die Arbeit und die Kosten überlassen, um ein Problem zu lösen, das wir verursachen.
Arbeiten, die zu Szenarien mit netto CO2-Entfernung führen, sind ein Musterbeispiel von Cargo-Kult-Wissenschaft. (Richard Feynman würde sich wundern.)
Das Paradox von Paris
In Paris wurden ein Temperaturziel vereinbart (deutlich unter zwei Grad, wenn möglich 1,5 Gad) und ein Ziel bezüglich Treibhausgaskonzentration (Ausgleich von Quellen- und Senkenleistung, also Stabilisierung der Treibhausgaswirkung, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts).
Diese beiden Ziele des Pariser Abkommens machen in Kombination fast nur dann Sinn, wenn von netto CO2-Entfernung ausgegangen wird. Der Vertrag suggeriert also (stillschweigend), die Welt solle sich auf netto CO2-Entfernung verlassen.
Netto CO2-Entfernung wird aber nur möglich sein, wenn Länder und deren Menschen gezwungen werden können, für die sehr erheblichen Kosten der CO2-Entfernung zu bezahlen — ohne einen angemessenen eigenen Nutzen zu erfahren.
Wir haben aber keine Weltregierung mit dieser Machtfülle, sondern halten das nationale Selbstbestimmungsrecht hoch, auch was das Verursachen des Klimawandels betrifft, oder seine Bekämpfung.
Das nationale Selbstbestimmungsrecht in Klimafragen ist schon für die Reduktion der CO2-Emissionen nicht dienlich, für netto CO2-Entfernung schon gar nicht.
Paradoxerweise hat das Abkommen von Paris die Selbstbestimmung der Nationalstaaten in Klimafragen gefestigt, weil die Ambition auf einen Vertrag mit tatsächlich verbindlichen Verpflichtungen zu den Akten gelegt wurde.
The Day after Yesterday. What the Paris climate conference agreed on. | Artikel auf klimaatelier.ch
Vor diesem Hintergrund ist absehbar, dass die Spekulation auf netto CO2-Entfernung eine Utopie bleiben wird. Wenn überhaupt, ist das Pariser Temperaturziel nur mit zeitnaher Entfernung von CO2 erreichbar.
Dennoch versuchen sogar viele Klimaschützer, die technologische CO2-Entfernung auszubremsen. Sie ignorieren die Möglichkeit zur Entfernung von CO2 aus der Luft oder verurteilen die Technologie, die es dafür braucht, in undifferenzierter Art.
Das paradoxe Verhalten vieler Klimaschützer
Oder die vermeintlichen Klimaschützer und Klimaschützerinnen anerkennen die Möglichkeit, das CO2-Problem durch den frühen Einsatz von DAC-Technologie zu lösen, verneinen ihre Erkenntnis jedoch, weil sie nicht zu ihrer Wunschvorstellung oder Ideologie passt. (Beispiele sind Biofuelwatch, Heinrich Böll Foundation und ETC Group hier; Bettina Dyttrich in der Wochenzeitung da; Marcel Hänggi, ein Kämpfer für Klimaschutz durch ‹weniger› und Initiator der Schweizer Gletscher-Initiative in seinem jüngsten Buch ‹Null Öl. Null Gas. Null Kohle›). Solche Kommunikation ist gleichermassen schädlich wie sie falsch ist.
Etwa 2’300 Kilowattstunden, davon etwa 20% Strom, hauptsächlich Wärme (um 100°C), der Rest Kälte, wird in den DAC-Anlagen von Climeworks pro Tonne aus der Luft gefiltertes CO2 gebraucht. Das ist in der Tat viel, jedoch viel weniger, als bei der ursprünglichen Produktion des CO2 entstand. Es wäre seltsam aber möglich, Kohle zu verbrennen, alle CO2-Emissionen aufzufangen — mehrheitlich aus dem Kamin, zum Teil aus der Luft — und mit der verbleibenden Energie zusätzlich mit DAC viel CO2 aus der Luft zu entfernen. (Es kommt schon gar nicht in Frage aber es wäre sogar auch möglich, alles durch die Verbrennung der Kohle entstandene CO2 in die Luft zu entlassen und danach substantiell mehr als all dieses CO2 wieder aus der Luft zu entfernen.)
Erneuerbare Energie ist aber für die CO2-Entfernung viel besser geeignet als Kohle. Mit DAC würden die neuen erneuerbaren Energien und ihre Kostenreduktion nochmals viel zusätzlichen Schub erhalten.
Bei den Kämpfern gegen die globale Temperaturerhöhung durch ‹mehr› (mehr erneuerbare Energie) ist dennoch eine ähnliche Ablehnung von DAC auszumachen wie bei den Advokaten des ‹Weniger›. Der Kampf für erneuerbare Energie (aber gegen investierte Superreiche und die Fossilenergie-Industrie) pervertiert bisweilen zu einem Kampf gegen die direkte, rein technische CO2-Entfernung (Mark Jacobson). Das vermeintlich Bessere (erneuerbare Energie) wird so zum Feind des Guten, der DAC-Technologie, die zur schnellen Reduktion von netto CO2-Emissionen mindestens so unverzichtbar ist wie kostengünstiger Sonnen- und Windstrom (video, 15 Min., sehenswert).
Manche linke und grüne Kreise machen regelrecht Kampagne gegen die CO2-Entfernung (die Heinrich-Böll Stiftung via CIEL, ein übles Beispiel).
Eine ausgeprägte Abneigung haben viele Umweltschützer gegen die bleibende Wiedereinlagerung des CO2 unter Tag.
Die Abneigung gegen die CO2-Sequestrierung
Unter den im Fachbereich versierten Wissenschaftern ist die CO2-Sequestrierung dagegen unumstritten. Sie ist sicher, was in vielen Projekten bewiesen wurde und bewiesen wird. CO2-Sequestrierung ist Fakt und die Fakten zur Sequestierung sind nicht zu leugnen.
Das Potenzial ist mehr als ausreichend gross, sogar auch in der Schweiz (Chevalier et al. 2010).
Verschiedene geologische Formationen eignen sich für die bleibende Einlagerung von CO2 nachweislich.
Die Sequestrierung von CO2 in Salinen Aquifern vor den Küsten oder auch auf Land weist gemäss gründlichen Untersuchungen allein schon ein riesiges Potenzial auf. Ein Mehrfaches aller bisherigen Emissionen der Menschheit könnte in Salinen Aquifern sequestriert werden. (Global CCS Institute, 2018)
Für praktische Anliegen ist das Potenzial allein in Salinen Aquifern also unbeschränkt. Verschiedene Projekte für die Sequestrierung von Millionen Tonnen CO2 pro Jahr sind in Gang, weitere sind in Planung. Ein kleineres Projekt in Deutschland ist bereits zuverlässig abgeschlossen worden — ‹abgeschlossen› im doppelten Sinn des Wortes.
Junger Basalt ist häufig und für die CO2-Sequestrierung speziell geeignet weil das CO2 schnell mineralisiert (Matter et al., 2016). In Island und vor den Küsten der Insel könnte allein das CO2 sequestriert werden, welches die Menschheit sei der Industrialisierung ausgestossen hat (Snæbjörnsdóttir et al., 2014; Snæbjörnsdóttir und Gislason, 2016).
Die Sequestrierung ist nicht teuer. Abgesehen von den Transportkosten wird sie pro Tonne CO2 wenige Dollar kosten. Wie bei der CO2-Filterung aus der Luft oder aus Abgasen sind es jedoch zusätzliche Kosten, die jemand tragen muss, andernfalls die Sequestrierung nicht stattfindet — oder zusätzliche Gewinne müssen die Kosten aufwiegen.
Es ist darum kein bisschen erstaunlich, dass zur Zeit die allermeiste CO2-Sequestrierung in Erdölfeldern geschieht, wo durch das Einpressen von CO2 mehr Öl gefördert werden kann, und dass dabei bisher meist CO2 eingepresst wird, das kostengünstig anfällt und mit Klimaschutz nichts zu tun hat.
Ob durch das Einpressen von CO2 Erdöl gefördert werden soll, ist eine berechtigte Frage — auch wenn das CO2 allenfalls aus der Luft stammt und vielleicht insgesamt etwa gleich viel Kohlenstoff verschwinden mag, wie herauskommt, was sehr wohl der Fall sein kann. (Zum Beispiel wenn, anders als in diesem Projekt von Carbon Engineering, der DAC-Prozess durch erneuerbare Energie angetrieben wird.)
Ob mit CO2-Sequestrierung Öl gefördert werden soll, ist aber sowieso eine andere Frage als die der Sicherheit der CO2-Sequestrierung in Erdöl- oder Erdgasfeldern oder des Potenzials! Die Sicherheit ist durch nun schon viele Anwendungen gut belegt. Ausgediente, geeignete Erdgas- und Erdölfelder gibt es viele.
Wer nicht will, dass DAC (oder CCS) dafür eingesetzt wird, noch mehr Erdöl zu fördern, sollte besonders entschieden für hohe CO2-Abgaben einstehen — und den ‹Generationenbetrug› besonders entschieden vereiteln.
Wer gar nicht will, dass CO2 in der Erdkruste entsorgt wird, sollte sich für beides (kein ‹Generationenbetrug›, sehr hohe CO2-Abgaben) noch entschiedener einsetzen. CO2 mit sauberer Energie aus der Luft nehmen und für die Produktion von synthetischen Energieträgern wieder verwenden ist damit nicht ausgeschlossen, sollte nicht ausgeschossen werden, wird aber in relevantem Ausmass (nur) mit sehr hohen CO2-Abgaben für fossilen Kohlenstoff stattfinden — oder mit gigantischen Subventionen.
Die Nutzung des Kohlenstoffs aus der Luft ist absehbar weniger umstritten als die Sequestrierung. Bezahlbar ist diese echte Wiederverwendung des Kohlenstoffs aus der Luft auch (von mir aus kann diese echte Wiederverwendung gerne stattfinden). Sie ist aber viel teurer als die Verwendung von fossiler Energie und die Wiedereinlagerung des entstehenden Kohlenstoffs als CO2 in der Erdkruste. (Die echte Kohlenstoff-Kreislaufwirtschaft wäre jedoch viel günstiger als die CO2-Preise, die zum Teil in den Berechnungen eingesetzt wurden, die als Resultat netto CO2-Entfernung postulieren; Diagramm 6, oben.)
Die paradoxe Haltung von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern
Obschon es sich bei der Technologie zur Entnahme von CO2 mit Direct Air Capture, DAC, um unverzichtbare Hoffnungstechnologie handelt, wird auch durch Klimaforscher und ‑forscherinnen fast immer die «Technologie» thematisiert, oft kritisiert oder in Frage gestellt (Schweiz).
In einem Bericht des Europäischen Wissenschaftsrats vom letzten Jahr beschreiben Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus 27 europäischen Ländern DAC korrekt, einschliesslich aktive Firmen, realisierte Anlagen, Energieverbrauch, Preise und erwartete weitere Preisentwicklung. Auch die Möglichkeiten der CO2-Sequestrierung werden korrekt und umfassend beschrieben.
Das Unbehagen über die Behauptung, es würde gigantische netto CO2-Entfernung geben, geht unzweideutig aus dem Bericht hervor, sogar schon aus der Einleitung des ESEAC Präsidenten, Thierry Courvoisier.
Systematisch verurteilt der Bericht dennoch — wohl als Folge des Unbehagens — nicht die gefährliche Spekulation mit netto negativen Emissionen, sondern an Stelle der Spekulation — zu dumm — die Technologie, die wir dringend brauchen, um die schwerwiegenden Folgen der Spekulation zu verhindern und die CO2-Emissionen schnell auf netto null zu reduzieren. (EASAC 2018)
Die EASAC hat 2019 ihren Schuss ins eigene Knie etwas korrigiert, aber nur halbherzig: DAC sei bereits günstig gewordenen die negativen Emissionstechnologien sollen jetzt weiter erforscht und für den frühzeitigen Einsatz erwogen werden; aber nicht als Versicherung gelten, um unterlassene CO2-Vermeidung später wieder gut zu machen. (EASAC 2019; S.9)
Thomas Stocker sagte über CO2-Entfernung: «Doch alles, was vorgeschlagen wird, kann kaum auf die weltweite Skala vergrössert werden und ist deshalb längst nicht genügend, um netto null zu erreichen.» Der Komplettverzicht auf fossile Energie für netto null CO2-Emissionen dürfte (sollte!) jedoch noch schwieriger durchsetzbar sein als eine Bezahlpflicht für diese Emissionen bis auf das Niveau, das für die zeitnahe Wiederentfernung des Restausstosses an Kohlenstoffdioxid ausreicht — und die Emissionen aus fossilen Quellen stark beschneidet, aber nicht restlos ausschliesst. Stocker war Co-Chair der Working Group 1 und erstgenannter Redaktor des IPCC-Berichts, der erstmals netto CO2-Entfernung graphisch darstellte (2013; Diagramm 3).
Kevin Anderson, der wohl einflussreichste Berater Greta Thunbergs, stört sich zweifellos eigentlich an der Behauptung, es könnte netto CO2-Entfernung geben. Er verurteilt jedoch die technische CO2-Entfernung grundsätzlich und scharf indem er die Technologie zur Entfernung von CO2 in Frage stellt, nicht die unbegründete Annahme, es würde jemand für netto negative CO2-Emissionen bezahlen (2015, video). (Würde er die umweltfreundliche Möglichkeit zur Filterung von CO2 aus der Luft anerkennen, würde dies seinen Aufruf zu freiwilligem Flugverzicht in Frage stellen.)
James Hansen, der wahrscheinlich einflussreichste Klimaforscher überhaupt und unter anderem der Antrieb hinter Klimaklagen von Jugendlichen gegen ihre Regierungen, verurteilt die Spekulation auf technologische netto CO2-Entfernung in grossen Mengen gründlich (2016). Schon lange fordert er auf biologischen Ansätzen beruhende Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre, auch netto (2008). Er nennt die erheblichen Kosten der technischen CO2-Entfernung als Argument für die Klagen (2018, 2018b).
Immerhin der prominente Klimaforscher Stefan Rahmstorf lehnt die Behauptung oder Annahme ab, es könnten in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts grosse Mengen CO2 netto wieder aus der Luft entfernt werden, verurteilt aber die technische CO2-Entfernung nicht. Seine Haltung ist erfreulich. Er zieht daraus auch die richtigen Folgerungen und kommuniziert diese: Die Netto-CO2-Emissionen müssen schnell sinken. Auf netto negative Emissionen darf nicht abgestellt werden. (Vgl. diesen Artikel auf klimaatelier.ch.)
Auch Stefan Rahmstorf sagt jedoch, die rein technische CO2-Entfernung sei «wahnsinnig teuer» (hier, Thema ab ca. 15:05 Min.; genau bei 20:10 Min.; am 14.12.2019; Nachtrag).
Leider gibt es — Wahrnehmung des Schreibenden — aus der Klimaforschung noch keine einflussreiche Stimme, die den ‹Generationenbetrug› mit netto CO2-Entfernung ausdrücklich verurteilt, aber schnelle CO2-Entfernung, auch der rein technischen Art, ausdrücklich fordert.
Die deutschsprachigen Scientists for Future bezeichnen (im Faktenteil ihrer Stellungnahme) die Spekulation auf netto negative Emissionen als «Überziehungskredit» der jetzt aufgenommen wird und den die bereits heute lebenden jungen Menschen wieder abzubezahlen hätten. Sie weisen auf die gravierenden Folgen hin, unter der viele nachfolgende Generationen zu leiden hätten, sollte dieses Abbezahlen nicht gelingen. Da es keinen Grund zur Annahme gibt, dass das Abbezahlen gelingen könnte, ist dies eine ziemlich verharmlosende Darstellung der Problematik.
Wenn verantwortungsbewusste Wissenschafterinnen und Wissenschafter korrekte Empfehlungen machen, die sich ganz einfach nicht auf den ‹Generationenbetrug› stützen, sind bereits Lob und Dankbarkeit angemessen. Der deutsche Sachverständigenrat für Umweltfragen, SRU, hielt es in seinem offenen Brief an die «Mitglieder des Klimakabinetts» so.
Wer den ‹Generationenbetrug› nicht unterstützen mag, aber keinesfalls Forscherkollegen und -kolleginnen kritisieren will, soll sich bitte das Vorgehen des SRU zum Vorbild nehmen — ist so schwierig nicht.
Mangel an sprachlicher Differenzierung
Sprachlich wird kaum zwischen negativen CO2-Emissionen und netto negativen CO2-Emissionen unterschieden. Es wird von negativen Emissionen gesprochen (was wir fordern und dringend umsetzen sollten), wenn die Utopie mit netto negativen Emissionen gemeint ist (die wir verurteilen sollten). Titel von wissenschaftlichen Publikationen heissen: «The trouble with negative emissions» (Anderson und Peters, 2016); «Betting on negative emissions» (Fuss et al., 2014); «The ethics of negative emissions» (Lenzi, 2018); «On the financial viability of negative emissions» (Bednar et al., 2019). In allen diesen Publikationen geht es jedoch erstrangig um netto negative Emissionen.
Mangel an konzeptioneller Unterscheidung
Nach Wahrnehmung des Schreibenden grenzt nur eine einzige wissenschaftliche Publikation negative von netto negativen CO2-Emissionen ab, weil die Verursacher nur zur Bezahlung von CO2-Entfernung verpflichtet werden können, solange die CO2-Emissionen nicht netto negativ werden, für netto CO2-Entfernung aber Subventionen fliessen müssen (Bednar et al., 2019).
Johannes Bednar, Michael Obersteiner und Fabian Wagner streifen in ihrer Publikation das Problem der absehbar ungenügenden Zahlungsbereitschaft ohne Verursacher und weisen auf den Einfluss der Diskontierung auf das Ausmass der berechneten netto CO2-Entfernung in den Szenarien hin. Als zentrales Resultat zeigen sie auf, dass das Finanzierungsproblem sogar auch quantitativ kaum mehr lösbar ist, wenn die netto Entfernung von CO2 nötig würde. Es ist absehbar, dass nicht alle Länder die netto Wiederentfernung von CO2 mitfinanzieren. Für die anderen Länder steigen deshalb die Kosten auf ein untragbares Mass. Die Publikation behandelt primär das Bezahlproblem aufgrund der Kosten der netto CO2-Entfernung, nicht so sehr aufgrund der Bereitschaft zur Kostenübernahme an sich, auch nicht das Bezahlproblem bei zeitnaher CO2-Entfernung.
Die Verschärfung des Trittbrettfahrerproblems
Würden die einen Länder netto CO2 entfernen, die anderen nicht, vergrösserte sich der materielle Vorteil des Trödelns und Trittbrettfahrens beim Klimaschutz. Die nachträgliche (netto) CO2-Entfernung wäre eine Herkulesaufgabe. Die Mitwirkung bei dieser ‹Herkulesaufgabe› zu verweigern (oder die vergleichsweise billige Reduktion der Emissionen zu verweigern), würde zudem langfristig attraktiv, da ja nun die einen Länder die Emissionen anderer Länder wieder entfernen. Die einen würden ein Problem (das gelöst werden muss) sehr kostspielig lösen, während andere Länder es weiterhin billig verursachen könnten. Die netto CO2-Entfernung wäre für das betreffende Land wie eine Aufgabe des Herakles und des Sisyphos.
‹Trittbrettfahrer›, also diejenigen, welche die Lösung der Klimakrise anderen überlassen wollen, sind das grösste Hemmnis bei der Lösung des Klimaproblems, das ist schon heute so. Geht es um netto CO2-Entfernung, verstärkt sich das ‹Trittbrettfahrer›-Problem nochmals sehr deutlich. Selbst wenn es eigentlich kooperationswillige Staaten für netto CO2-Entfernung gibt, würden ‹Trittbrettfahrer›-Nationen diese Kooperationswilligkeit untergraben. Aus Forschung mit dem Ultimatum-Spiel und spieltheoretischen Experimenten, die speziell auf die Problematik des Klimawandels zugeschnitten wurden, ist bekannt, dass eigentlich kooperationswillige Teilnehmer ‹Trittbrettfahrer› bestrafen, indem sie schliesslich ebenfalls die Kooperation verweigern, sogar dann, wenn sie sich dadurch selbst schaden (Milinski et al., 2008). Schon heute machen viele Länder ihre Treibhausgas-Reduktionsversprechen offiziell vom Verhalten anderer Länder abhängig (vgl. «Conditional NDC» gegenüber «Unconditional NDC» in Diagramm 5, unten).
Wird dürfen es nicht soweit kommen lassen, dass netto CO2-Entfernung eigentlich notwendig wäre — aber dennoch nicht stattfindet. Um dies zu verhindern, ist die schnelle Anwendung der technischen CO2-Entfernung in ziemlichem Umfang unverzichtbar. Dies muss erklärt und verstanden werden, auch wenn es schwierig verständlich zu machen ist.
Angriff aus das falsche Ziel
Angestiftet von George Monbiot liess sich der ebenfalls einflussreiche Michael Mann (‹Hockey Stick› und ein Buch über ein Mädchen, das die Welt rettet, ‹The Tantrum that Saved the World›) zu einer ungerechtfertigten Verurteilung von CO2-Entnahmetechnologie einschliesslich Direct Air Capture, DAC, hinreissen, die auch Greta Thunberg mitunterzeichnete, aber richtigerweise postwendend kritisiert wurde: «Je machbarer eine ‹unerwünschte› Technologie wird, umso schräger werden die Argumente gegen sie.» (Oliver Geden)
Schräg sind nicht nur die Argumente gegen die Technologie zur direkten Entfernung von CO2 aus der Luft. Sehr schräg ist, dass Wissenschafter ebenso wie Klimaschützer die «negative Emissionstechnologie» schlecht reden. Auch die meisten Klimaschützer missbrauchen gewissermassen die Technologie als Projektionsfläche für den ‹Generationenbetrug›, den sie zurecht verabscheuen, sofern sie sich des Betrugs überhaupt bewusst sind.
Nur wenige mutige Wissenschafter wie Anderson (2015) oder Hansen (2016) kritisieren Forscherkollegen, welche die utopische Idee in die Welt setzten und verbreiten, oder Regierungen, welche die netto-negativ Utopie gerne vorschnell adoptierten. (Beide kritisieren allerdings ohne Namen zu nennen.)
Die einen leugnen die Existenz des CO2-Problems, die anderen leugnen die Existenz der Lösung dieses Problems
Wenn sie sich überhaupt kritisch dazu äussern, drücken die Klimaforscher ihren Unmut (oder ihr Unbehagen) über die Annahme von netto CO2-Entfernung leider fast systematisch dadurch aus, dass sie die Technologie zur CO2-Entfernung in Frage stellen. Sie stellen die Kosten in den Vordergrund oder behaupten, die Technologie sei nicht da oder im nötigen Massstab unerprobt — oft beides (zum Beispiel Timothy Lenton).
Verschiedene Klimaschützer haben mir im Gespräch versichert, dass sie die technologische CO2-Entfernung ablehnen — leugnen —, weil sie befürchten, die Anerkennung der Technologie würde die Spekulation auf netto CO2-Entfernung unterstützen und dadurch zeitnahe CO2-Vermeidung behindern.
Ob bewusst oder unbewusst angewendet, diese Taktik ist erstens ein Schuss ins eigene Knie der Klimaschützer, denn der ‹Generationenbetrug› ist im Moment nur eine Gefahr und ein Fehlanreiz, eine Spekulation. Sie riskiert jedoch Schäden von jetzt noch unermesslichem Ausmass zu verursachen, wenn noch lange an ihr festgehalten wird — weil sie sich schliesslich als Fehlspekulation herausstellen wird. Um diese Situation zu vermeiden, braucht es den baldigen Einsatz von CO2-Entfernungstechnologie in erheblichem Ausmass. Es braucht also das Gegenteil der Leugnung und Verurteilung der direkten technischen Entnahme von CO2 aus der Luft.
Zweitens ist die Leugnung der Technologie objektiv unhaltbar. Das Problem mit der rein technologischen CO2-Entfernung ist nicht die Technologie, bzw. ihre angebliche Unreife. Das Problem ist nicht, dass diese Technologie allesamt umweltschädlich wäre oder, dass sie zu spät kommt. Sie ist auch nicht zu teuer. Jedenfalls DAC ist unbestreitbar in den Startlöchern und ausreichend umweltfreundlich. Es fehlt einzig die Zahlungsbereitschaft für den Einsatz der Technologie. Ohne diese Zahlungsbereitschaft, wird die CO2-Entnahmetechnologie immer ‹im nötigen Massstab unerprobt› bleiben.
Diese Technologie kommt nicht von allein
Die Technologie zur direkten, technischen CO2-Entfernung aus der Luft ist nicht billig, das ist wahr. Sie wird aber, egal wie kostengünstig sie noch werden kann, immer zusätzliche Kosten verursachen und darum nie in relevantem Ausmass freiwillig angewendet werden.
Nur politischer Wille kann die Anwendung von Technologie für die Entfernung von Kohlenstoffdioxidgas aus der Luft erwirken. Die fehlende Zahlungsbereitschaft muss darum verurteilt werden, genauer gesagt: die Politik, welche die Bezahlung nicht einfordert. Aber sicher nicht sollte die Technologie selbst schlecht geredet oder bezweifelt werden.
Myles Allen, Professor in Oxford, weist die Jugendlichen auf die fehlende Zahlungsbereitschaft der Generation ihrer Eltern hin und darauf, dass die Regierung ihres Landes ihnen zumutet, in Jahrzehnten Hunderte Milliarden Tonnen CO2 netto wieder aus der Luft zu nehmen und in den zu Boden drücken.
Er rät den Jugendlichen, deswegen wütend («angry») zu werden.
Seine Empfehlung ist eine der besten eines namhaften Experten. (Wir sollten allerdings nicht so sehr Geld für die CO2-Entfernung beiseite legen, schon gar nicht für die illusorische netto CO2-Entfernung, sondern es jetzt dafür ausgeben, investieren.)
Myles Allen ist, wie Thomas Stocker, einer der Geburtshelfer der Idee von netto negativen CO2-Emissionen. Allen sollte nicht nur an die Jugendlichen appellieren, sondern an die Generationen von Drückebergern, seine und meine Generation. Und er sollte die Erfinder des Generationenbetrugs kritisieren, also Klimaforscher, einschliesslich sich selbst. Allen war «contributing author» des Kapitels 12 des IPCC Berichts (2013), wo der Weltklimarat erstmals Szenarien mit netto negativen CO2-Emissionen publizierte (Diagramm 3).
Hassliebe zu «negativen Emissionen»
«Wissenschafter lieben negative Emissionen oder sie hassen sie», schrieb der ausgezeichnete Ökonom Glen Peters.
Auf der einen Seite warnte Peters selbst verschiedentlich, die Idee von CO2-Entfernung unterminiere schnelle Emissionsreduktionen und lässt durchblicken, die Annahme von negativen Emissionen sei unwissenschaftlich, unrealistisch, jedenfalls gefährlich (2016) — er meinte zweifellos netto negative Emissionen, also eine Idee, nicht einen Sachverhalt oder eine Technologie. Auf der anderen Seite beschrieb und bezeichnete Peters das umstrittene BECCS (normalerweise das Verbrennen von Biomasse und das Abtrennen des CO2 aus dem Abgasstrom) als gewissermassen traumhafte Methode und verbreitete diese Meinung auch via Twitter.
Wie andere, die sich mit negativen und netto negativen Emissionen befassen, «liebt» Glen Peters die Idee von netto negativen Emissionen und «hasst» sie gleichzeitig.
Viele Forscher ahnen wohl, dass netto CO2-Entfernung nicht stattfinden wird und die Behauptung darum betrügerisch ist, weshalb sie die Idee hintergründig «hassen», vordergründig aber die Technologie in Frage stellen — mein Verdacht.
Die Forscher haben jedoch kaum je den Mut, ihren Regierungen und Mitbürgern zu sagen, was Sache ist, nämlich wie dringend sie die Bezahlung der Vollkosten des CO2-Ausstosses (und den Einsatz der CO2-Entfernungstechnologie!) verlangen müssen, andernfalls sie als Übeltäter durch Unterlassung oder als Fehlwähler betrachtet werden müssen — die Politiker beziehungsweise ihre Wähler. Deshalb «lieben» diese Wissenschafter die Idee von netto CO2-Entfernung. (Mutig zu sein überlassen sie einem 16-jährigen Mädchen. Die Politiker auch.)
Nützlich zu argumentieren, korrekt zu «lieben» oder zu «hassen», wäre einfach: Wir sollten den ‹Generationenbetrug›, die Spekulation auf netto negative Emissionen, «hassen», aber die Technologie für die CO2-Entfernung «lieben» und ohne Verzögerung fordern.
Gewöhnung an eine willkommene Utopie
Leider ist gerade das Gegenteil der Fall. Es ist nicht nur ein irrationaler ‹Hass› auf die Technologie für CO2-Entfernung (CDR-Technologie, Carbon Dioxide Removal), sondern auch eine erstaunliche ‹Liebe› gegenüber der Idee von netto CO2-Entfernung feststellbar.
Wie fast alle Institutionen, die sich dazu äussern, schreibt zum Beispiel die Internationale Energie Agentur IEA in ihrem Global Outlook 2017 (auf Seite 41), die signifikante Umsetzung von negativen Emissionstechnologien sei in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts notwendig, um das CO2-Budget zu respektieren (dies einerseits, die ‹Liebe›).
Gleichzeitig leugnet auch die wichtige IEA die Existenz von CO2-Entfernungstechnologie (dies andererseits, der ‹Hass›): «Kosten und Potenziale von anderen CDR-Technologien [als BECCS] bleiben ungewiss, obschon diese theoretisch eine vielversprechende Ergänzung oder Alternative zu BECCS sein könnten, wenn sie kommerziell würden und in in der Lage wären, in ausreichendem Ausmass angewendet zu werden.» (Es sind nicht nur die Kosten von DAC bekannt, sogar die Anlagen sind da! Die Technologie kann aber nie «kommerziell» im Sinn von rein marktwirtschaftlich rentabel werden. Sie ist bei der Anwendung immer ein Kostenfaktor.)
Die Aussage der IEA ist diese — und die IEA ist mit dieser Aussage ganz und gar nicht allein: Eine Technologie (mit Kosten, die wir kennen, die bereits erträglich tief sind und wir jetzt den Verursachern anlasten können), muss erst noch «kommerziell» werden und beweisen, dass sie in ausreichendem Ausmass angewendet werden kann. Ihre Anwendung in ferner Zukunft (wenn dafür Subventionen von gigantischem Ausmass notwendig wären) bezeichnet die IEA hingegen als «notwendig».
Vielleicht hat die ‹Liebe› mit Gewöhnung an die Spekulation mit der netto-negativ Utopie zu tun. Der Glaube, zukünftige Generationen könnten in Jahrzehnten von uns bis dahin zu viel produziertes CO2 in astronomischen Mengen wieder aus der Atmosphäre entfernen, besänftigt das Gewissen und macht die Gewöhnung psychologisch attraktiv.
Einflussreiche Wissenschafterinnen und Wissenschafter, die sich früher gegenüber der Idee von netto CO2-Entfernung sehr kritisch äusserten (Glen Peters; Oliver Geden; Sabine Fuss, 2014), akzeptieren die Utopie zunehmend, verteidigen sie sogar (Geden, auch hier; Peters, auch hier über BECSS; Fuss, auch an anderer Stelle im gleichen Video).
Fast wie Jeanne d’Arc im fünfzehnten Jahrhundert die Engländer hat sich Greta Thunberg vorgenommen, die Klima-Generationenbetrüger zu besiegen. In ihrer Rede am 23. April in den Houses of Parliament («Can you hear me?») sagte sie: «Das ‹Emissionen reduzieren› ist natürlich notwendig aber es ist nur der Beginn eines schnellen Vorgangs der innerhalb zweier Jahrzehnte zu einem Stopp führen muss oder schneller. Und mit ‹Stopp› meine ich netto null — und dann schnell weiter zu [netto] negativen Zahlen.»
Sogar Greta Thunberg scheint sich mit der Spekulation auf netto negative Emissionen anzufreunden, dem besonders hinterlistigen Aspekt des Klima-Generationenbetrugs.
Dies ist etwas absurd, denn, wie ihr einflussreicher Berater Kevin Anderson, stellt Greta Thunberg die Möglichkeit der zeitnahen technischen CO2-Entfernung aktiv in Frage, vermutlich um den ‹Generationenbetrug› nicht zu unterstützen.
Tatsächlich liegt der Verdacht sehr nahe, dass die Gewöhnung an den ‹Generationenbetrug› auch mit den grossen Fortschritten zusammenhängt, welche die rein technische Entfernung von CO2 aus der Luft gemacht hat, so sehr, dass es (eigentlich) absurd geworden ist, die Technologie in Frage zu stellen. Dem ‹Generationenbetrug› durch die Leugnung der Technologie verhindern zu wollen, ist ebenso absurd geworden.
Es führt (eigentlich) kein Weg (mehr) daran vorbei: Der ‹Generationenbetrug› muss redlich denunziert werden, mit dem korrekten Argument, der absehbar fehlenden Zahlungsbereitschaft für netto CO2-Entfernung.
Der ‹Generationenbetrug› muss ohne zeitliche Verzögerung und vehement verurteilt werden, denn er entfaltet sein schädliches Potenzial nachweislich schon jetzt.
Die netto-negativ Utopie ist ein ‹moral hazard›, ein Fehlanreiz, der Emissionsreduktionen verzögert
Ein vielbeachteter Kommentar im Science Magazine von Glen Peters und Kevin Anderson (2016) trug den Titel «Das Problem mit negativen Emissionen» (video). Zweifellos die Idee von netto CO2-Entfernung meinend, argumentierten sie, CO2-Entnahmetechnologie stelle einen «moral hazard par excellence» dar, einen Anreiz zu unmoralischem Verhalten, einen Fehlanreiz.
Der Begriff ‹moral hazard› stammt aus dem Versicherungswesen: Eine Vollkaskoversicherung schafft einen Fehlanreiz, weniger vorsichtig Auto zu fahren.
Wer glaubt, seine Kinder und Enkel seien in der Lage, CO2 in gigantischen Mengen wieder aus der Luft zu entfernen, wird das Treibhausgas hemmungsloser emittieren, als wenn dieser Irrglaube nicht besteht. Dies ist erstens plausibel. Zweitens kann der ‹moral hazard› stichhaltig belegt werden.
Der ‹Generationenbetrug› mit der netto-negativ Utopie ist in vollem Gang
Die Spekulation auf netto CO2-Entfernung ist bereits fester Bestandteil des offiziellen Vergleichs zwischen Soll- und Ist-Zustand der in Paris abgegebenen nationalen Versprechen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen.
Die Kluft zwischen den mit dem Pariser Abkommen kompatiblen Reduktionen und den gesamthaften Versprechen wäre in der Darstellung des UNO-Umweltprogramms viel grösser, würde die UNO nicht von netto CO2-Entfernung ausgehen (Diagramm 5). Durch die Spekulation auf netto negative CO2-Emissionen spielt die UNO das ohnehin auffällige Ungenügen der Summe der nationalen Versprechen massiv herunter und legt damit den Mitgliedstaaten Treibhausgasreduktionspfade nahe, die nicht mit dem Pariser Abkommen vereinbar sind — wenn die Netto-Negativ-Utopie ausgeklammert wird. Dies ist ein Beleg «par excellence» für den ‹moral hazard›, für den Fehlanreiz zu unmoralischer Politik durch die Spekulation auf netto CO2-Entfernung.
Die UNO weist nicht sehr aktiv auf die Spekulation hin — gelinde gesagt. Dass die Netto-Negativ-Spekulation die Verbesserung der nationalen Ambitionen zur Erreichung der Pariser Klimaschutzziele sabotiert, fällt kaum auf.
Auch der vielbeachtete Gap-Report der Nichtregierungsorganisation Carbon Tracker stellt die Szenarien mit netto negativen CO2-Emissionen als Sollverlauf dar — ebenfalls ziemlich diskret.
Der IPCC Spezialbericht über 1,5 Grad Temperaturerhöhung macht Angaben über die ‹verfügbaren Szenarien› («available scenarios»), die das 1,5-Grad Ziel (mehr oder weniger gut) respektieren. Etwas willkürlich schlossen die Forscher und Forscherinnen in mindestens einem Szenario BECCS aus, und CCS ebenfalls (Carbon Capture and Sequestration, die Entfernung von CO2 aus Abgasströmen von Industrieanlagen). Dagegen liessen sie netto negative CO2-Emissionen immer zu. Als Folge davon weisen alle publizierten («verfügbaren») 1,5-Grad Szenarien des IPCC netto CO2-Entfernung auf.
Vertraut man auf diese Szenarien mit netto CO2-Entfernung, müssen für 1,5 Grad Temperaturerhöhung erst etwa im Jahr 2050 netto null CO2-Emissionen erreicht werden (Tabelle oben und Diagramme 1 und 2).
Szenarien, die das 1,5-Grad Ziel ohne netto CO2-Entfernung einhalten, sind ‹nicht verfügbar› weil ganz einfach keine berechnet wurden, wodurch erstens der irreführende Eindruck entsteht, die Einhaltung der 1,5-Grad Limite sei ohne netto CO2-Entfernung nicht möglich. Und zweitens, und noch irreführender, suggeriert der Weltklimarat, die in den Simulationen zugelassene netto CO2-Entfernung sei möglich.
Die Forscherinnen und Forscher des Weltklimarats IPCC gehen ausnahmslos in allen Berechnungen von einer schwer wiegenden und unplausiblen Annahme aus und errechnen damit Szenarien. Anschliessend stellen sie die Resultate als Notwendigkeit ohne Alternative dar und damit implizit als Möglichkeit. So gesehen braucht sich niemand zu wundern, dass die Meinung, es könne und werde netto CO2-Entfernung geben, normal geworden ist.
Wie normal die Spekulation auf netto CO2-Entfernung geworden ist und wie sehr sie als ‹moral hazard› wirkt, lässt sich auch in Artikeln und Aussagen von Wissenschaftern, Politikern und Journalisten erkennen und dort an einer Jahreszahl: «2050» also «in 30 Jahren». (Stefan Häne und Martin Läubli, hier, Marcel Hänggis Gletscher-Initiative, der Bundesrat oder die EU sind Beispiele dieser Normalität.)
Dass politisch 2050 gerne als Zieljahr von Klimaschutzstrategien oder sogar spezifisch für netto null CO2-Emissionen postuliert wird, ist eine direkte Folge der diskreten Verbreitung der Netto-Negativ-Utopie durch Wissenschafter und Wissenschafterinnen, den Weltklimarat IPCC, UNFCCC, UNEP, IEA, etc. und, zum Teil aus Unwissenheit, durch Medienschaffende — und sogar durch Menschen, die Klimaschützer sein wollen und in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit als solche gelten.
Darüber, wie sehr die Annahme, es könne netto CO2-Entfernung geben, die bestehenden nationalen Klima-Zielsetzungen dominiert und weiter beeinflusst, wird kaum je geschrieben oder gesprochen.
In weiser Voraussicht quantifizieren eher kritische (und sogar auch eher unkritische) Forscherinnen und Forscher bereits, um wie viel die Temperaturerhöhung überschiesst, wenn die politischen Entscheidungsträger auf netto CO2-Entfernung spekulieren und CO2-Minderung aufschieben, die netto CO2-Entfernung aber nicht stattfindet. Es sind 0,7 bis 1,4 Grad (McLaren und Jarvis, 2018).
Anderson und Peters (2016) haben zweifellos recht, wenn sie auf den ‹moral hazard› hinweisen, jedoch sollten auch sie nicht sprachlich die CO2-Entnahmetechnologie als Prügelknaben missbrauchen und kritisieren, sondern den gefährlichen Irrglauben an netto CO2-Entfernung.
Es ist einfach aber falsch, eine Technologie in Frage zu stellen oder sogar schlecht zu reden, statt UNO, IPCC, Forscherkollegen oder Politiker zu kritisieren, die dazu beitragen, dass sich der Glaube an netto CO2-Entfernung, wie «ein Krebs ausbreitet» (Hansen, 2016).
Eine unverzichtbare Technologie ist Prügelknabe für eine zweifelhafte Spekulation
Die Technologien wehren sich nicht und man riskiert damit kaum, sich unbeliebt zu machen. Etwas Widerstand gegen den Angriff auf das falsche Ziel, das sich nicht wehren kann, gibt es dennoch.
Die Spezialisten im Bereich der CO2-Entfernung fühlten sich provoziert. Klaus Lackner und 45 Co-Autorinnen und Co-Autoren, darunter Peter Eisenberger, David Keith, Tim Kruger und die ETH-Professoren Marco Mazzotti und Aldo Steinfeld, widersprachen Anderson und Peters, erklärend, jede Handlungsoption sei ein Gewinn, also auch die Technologie zur Entfernung von CO2 (Lackner et al., 2016).
Tatsächlich ist die Technologie selbst ein Gewinn — und wie! Sie behaupteten aber auch, das «Vertrauen» (oder der Glaube, «faith») in die Anwendung der Technologie sei keine Gefahr und suggerieren «Vertrauen» darin, dass netto negative CO2-Emissionen stattfinden werden. Dieses Vertrauen ist ein «moral hazard» erster Klasse.
Anderson und Peters replizieren im gleichen Heft, beharren auf ihrem Standpunkt und können den «moral hazard» belegen. Sie bleiben jedoch bei der Kritik an der Technologie, statt sprachlich und inhaltlich korrekt nur die Annahme von netto CO2-Entfernung als Utopie zu verurteilen.
Zu kritisieren sind in diesem Fall aber nicht Kevin Anderson und Glen Peters: Klaus Lackner und seine Mitautoren und Mitautorinnen sollten die netto-negativ Utopie (auch) verurteilen und erkennen, dass diese Verurteilung dem Einsatz von CO2-Abscheidetechnologie nicht schaden, sondern helfen würde. Denn ihre grossartige und unverzichtbare Technologie sollte in ziemlich grossem Massstab zum Einsatz kommen — und das schnell.
Würden die CO2-Entnahmetechnologen anerkennen, dass ihre Technologie für netto CO2-Entfernung nicht zum Einsatz kommen wird, würde klar, dass die Technologie zur CO2-Entfernung (ohne ‹netto›) aus der Atmosphäre ohne Verzug zum Einsatz kommen muss.
Die Wette der Entwickler auf netto CO2-Entfernung
Leider wetten (Tim Kruger) die Entwickler dieser Technologie sehr wohl auf netto CO2-Entfernung. Sie verteidigen (David Keith) nicht nur ihre Technologie, sondern sogar auch die netto-negativ Utopie (Climeworks). Es mag sein, dass ihnen diese Utopie hilft, Kapital zu mobilisieren. Sie wird ihnen darüber hinaus aber nicht helfen, tatsächlich Maschinen zu verkaufen. «Wetten» die Hersteller von Technologie zur Entfernung von CO2 aus der Luft auf netto CO2-Entfernung, werden sie die Wette verlieren.
Natürlich ist es auch nur eine Vorhersage — oder (m)eine Behauptung —, dass in absehbarer Zeit die netto CO2-Entfernung nicht finanziert wird und also nicht stattfinden wird. Diese Vorhersage ist jedoch durch die historische Erfahrung und die aktuellen Gegebenheiten gut begründet.
Die CO2-Entfernung ist kein hoffnungsloser Fall — netto schon
Ungenügende geopolitische Strukturen und in ihren Entscheidungen von tribalistischen Instinkten dominierte, in Konkurrenz zu einander stehende Nationalstaaten mit kurzfristig denkenden und eigennützig agierenden Regierungen und Wählern behindern die Lösung des CO2-Problems. Dies ist jetzt so und es wird leider auch in der absehbaren Zukunft allzu sehr so sein.
Es gibt starke Belege für die Vorhersage oder ‹Behauptung›, es werde in absehbarer Zeit keine netto CO2-Entfernung von globaler Bedeutung geben. Die stärksten dieser Belege sollten Klimaexperten überdeutlich bewusst sein, nämlich die globale Schwierigkeit, das CO2-Problem anzugehen und zu lösen: Ausreichend schnelle CO2-Emissionsreduktionen werden bisher nicht annähernd durchgesetzt; CCS, die Entfernung von CO2 aus Abgasströmen (Carbon Capture and Sequestration) auch nicht.
Während netto CO2-Entfernung geopolitisch auf lange Frist nicht stattfinden wird, ist der Fall für Emissionsreduktionen, für CCS in der Industrie und auch für die zeitnahe Entfernung von CO2 aus der Luft (ohne ‹netto›) weit weniger hoffnungslos, weil das Verursacherprinzip angewendet werden kann (könnte) — was übrigens die Schweizer Bundesverfassung vorschreibt (vorschreiben würde).
Der Glaube an sie mag willkommen sein, die netto CO2-Entfernung ist dennoch ein hoffnungsloser Fall. Denn Nationalismen (selbst bei Wissenschaftern, Richard Tol) und der Mangel an geopolitischer Organisation werden nicht schnell genug überwindbar sein.
Folgerungen und Empfehlung
Wissenschafter, Klimaschützer und Journalisten (Urs Bruderer) sollten bitte korrekt, aktiv und nützlich über die Entfernung von CO2 aus der Luft kommunizieren. Dies bedingt Differenzierung:
- Die CO2-Entfernung ist unbestreitbar möglich. Sie muss umgesetzt werden, solange für ihre Bezahlung Verursacher in die Pflicht genommen werden können. Dies mit dem Ziel, die Situation zu vermeiden, dass netto CO2-Entfernung notwendig werden würde, sich aber, was absehbar ist, aus politisch-ökonomischen Gründen als unmöglich erweist.
- Die netto CO2-Entfernung ist ein willkommenes Hirngespinst, eine haltlose Spekulation, ein Hindernis für Emissionsreduktionen, eine gefährliche Irreleitung, eine psychologische Rechtfertigung von Fehlverhalten. Das Postulat von netto CO2-Entfernung ist als Versuch eines Generationenbetrugs zu verurteilen. Die Verurteilung sollte jedoch ausschliesslich erfolgen, weil absehbar ist, dass die Kosten für die netto Entfernung von CO2 aus der Luft nicht getragen werden.
Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass wegen der fehlenden Finanzierung, genauer gesagt wegen der fehlenden Zahlungsbereitschaft, fast nur darum, es keinen Grund zur Annahme gibt, zukünftige Generationen würden in ein paar Jahrzehnten in der Lage sein, unsere CO2-Emissionen rückgängig zu machen.
Erst danach sollte die Möglichkeit und die Notwendigkeit der zeitnahen Entfernung von CO2-Emissionen hervorgehoben werden.
Um die in Paris vereinbarten Ziele zu erreichen, ohne auf netto Wiederentfernung von CO2 zu spekulieren, müssen die CO2-Emissionen sehr viel schneller sinken, als IPCC und UNO es behaupten.
CO2-Emissionen müssen schneller sinken als IPCC und UNO kolportieren | Artikel auf klimaatelier.ch
Bei Durchsetzung des Verursacherprinzips, mit CO2-Preisen auf der richtigen Höhe, also auf dem Niveau der Kosten der umweltfreundlichen technischen CO2-Entfernung aus der Luft, können die CO2-Emissionen viel schneller sinken, als heute normalerweise vermutet wird.
Die Kosten der Entfernung von CO2 aus der Luft betragen heute 650 Franken pro Tonne, wenn die Entfernung mit Maschinen erfolgt, die in Zürich Oerlikon einzeln von Hand zusammengesetzt wurden und mit Energiepreisen betrieben werden, wie wir sie heute in der Schweiz haben. Das entspricht einem Franken und fünfzig Rappen pro Liter Benzin oder Heizöl (Kerosin: 1.70 Fr./l). Das ist der aktuelle absolute Maximaltarif der Quasi-Weltrettung.
Die CO2-Entfernung aus der Luft ist notwendig und da
Artikel auf klimaatelier.ch
Gibt es CO2-Entfernung in industriellem Massstab, würde der ‹Maximaltarif der Quasi-Weltrettung› schnell auf 50 Rappen pro Liter sinken, was 200 Franken oder US-Cent pro Tonne CO2 entspricht, schliesslich auf noch weniger, voraussichtlich auf etwa 25 Rappen pro Liter (entspricht 100 Franken/tCO2).
Selbstverständlich müsste die hohe CO2-Abgabe, die es für die CO2-Entfernung braucht, auf alle fossilen Energieträger angewendet werden. Weil fast alle Beiträge zur Lösung des CO2-Problems weit günstiger sind als die CO2-Entfernung, würde jährlich nur wenig CO2 aus der Luft entfernt. Die ‹Quasi-Weltrettung› würde darum noch kostengünstiger werden, denn Elektroautos, angetrieben mit Strom aus Wind und Sonne, sind insgesamt kaum teurer als Autos mit Verbrennungsmotor, wenn nicht bereits kostengünstiger. Dasselbe gilt für Wärmepumpen gegenüber dem Heizen mit Öl. Und das sind nur zwei Beispiele von vielen möglichen.
Verzicht kostet nicht, sondern spart ein — kommt aber nicht von selbst, käme jedoch dank dem Anreiz durch Abgaben auf fossile Energie. Käme.
«Es kostet nicht die Welt, den Planeten zu retten» (Ottmar Edenhofer). Tatsächlich würde es nicht die Welt kosten, sie zu retten, sozusagen. Würde.
Der globale Temperaturanstieg könnte jetzt noch leicht aufgehalten werden, die Versauerung der Ozeane auch. Könnte.
Tatsächlich wäre die Lösung des dringenden CO2-Problems noch erschreckend günstig zu haben. Wäre.
Sehr wahrscheinlich würde sie uns deutlich weniger als 50 Rappen pro Liter kosten. Würde.
Das sollte uns hoffnungsvoll stimmen. Sollte.
Wir ‹retten die Welt› dennoch nicht. Was mich betrifft, als einer der Generation der ‹Drückeberger›: Mir ist das peinlich. Sehr.
Ich weiss nicht, was du darüber denkst, aber ich meine, es müsste uns wütend («angry») machen. Müsste!
•
Titelbild: Carbon Engineering (Link zum Original)
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