Wegen eines neuen 600 Megawatt Braunkohlekraftwerks in Šoštanj ist der Hauptlieferant Alstom, dessen Kraftwerkssparte in Baden zu Hause ist, mit dem Vorwurf konfrontiert, sich „illegale Gewinne“ von 284 Millionen Euro verschafft zu haben. Während Alstom den Neubau in Slowenien probehalber in Betrieb nimmt, spitzen sich die Vorwürfe wegen einer Untersuchung zu, an der auch Schweizer Behörden beteiligt waren. Kürzlich wurde gegen 10 Personen Anklage erhoben. Alstom ist wegen Korruption in verschiedenen Ländern auf allen Kontinenten mit Vorwürfen, Untersuchungen, Verurteilungen oder Ausschlüssen belastet. Der Fall in Sostanj könnte alle der vielen Korruptionsprobleme des Konzerns in den Schatten stellen, einschliesslich die gerade erst bekannt gewordene Vergleichszahlung von 700 Millionen US-Dollar in den USA.
Im Braunkohlekraftwerkkomplex Sostanj wird gerade ein neuer Block mit 600 Megawatt Kapazität in Betrieb genommen. Der Bau kostet 1,44 Milliarden Euro, weltrekordverdächtige 2,4 Milliarden Euro pro Gigawatt, doppelt so viel wie prognostiziert worden war. Der Neubau „Block 6“ in Sostanj ist deutlich teuerer als das teuerste der in Westeuropa kürzlich gebauten Kohlekraftwerke.
Eruierbare spezifische Baukosten der neuen Kohlekraftwerke in Westeuropa und Block 6 in Sostanj, ganz rechts. Links Stein-, rechts Braunkohle. Daten.
Die Medien in Slowenien berichteten (auch hier), Alstom könnte durch Zahlungen an ihre Vertretung in Kroatien, die Sol Intercontinental, den Zuschlag für den Milliardenauftrag erwirkt haben. Oder Alstom könnte sich auf diesem Weg die Möglichkeit verschafft haben, überhöhte Beträge in Rechnung zu stellen. Die Sol Intercontinental und das Beratungsunternehmen CEE, das mit der Ausschreibung und der Angebotsprüfung für Block 6 betraut war, sind im Besitz von Peter Kotar.
Kotar, so wird berichtet, wurden von Alstom vermutlich 3 Millionen Euro in der Form von Beratungsverträgen für das Arrangieren des Geschäfts versprochen, während er von der Kraftwerksgesellschaft für die Vorbereitung der Ausschreibung, die Offertprüfung und ähnliche Aufgaben bezahlt wurde. „Die Polizei vermutet, dass eine Gesellschaft, mit der die Verdächtigten verbunden sind, 3 Millionen Euro für einen fiktiven Beratungsvertrag erhielt“, berichtete der Slowenische Rundfunk. Ein ausführlicher Bericht der slowenischen DNEVNIK nennt die Machenschaften um Sostanj die „Mutter aller Skandale“ und zeigt die Verbindungen auf.
Alstom hatte schon zuvor einen Auftrag für die Erneuerung von Block 5 in Sostanj erhalten. Die Untersuchung gegen die 10 nun Angeklagten wurde deshalb gestartet. Über einen fiktiven Beratungsvertrag, sollen die im Fall um Block 5 Fehlbaren 356’000 Euro erhalten haben, bei einem Auftragsvolumen von 2,4 Millionen Euro. Während die Polizei von einem „ausländischen Lieferanten“ sprach, nannte die Presse in Slowenien „Alstom“.
In Sostanj stinken nicht nur Dampf und Rauch in den Himmel. Kolossal überhöhte Kosten führten zu Untersuchungen und Anklagen wegen Korruption. Foto: Kale.
Den Angeklagten wird angelastet, im viel erheblicheren Geschäft um Block 6, dem „ausländischen Lieferanten“ durch illegitime Vereinbarungen „illegale Gewinne“ im Ausmass von 284 Millionen Euro verschafft zu haben. Das ursprüngliche Auftragsvolumen betrug in diesem Fall 650 Millionen Euro. Die Kosten stiegen auf über 1 Milliarde Euro.
Alstom baute den neuen Block 6 in Sostanj als Hauptlieferant. Schon im Zusammenhang mit anderen Projekten war Alstoms Kraftwerkssektor mit Sitz in Baden und speziell die Alstom Network Schweiz AG der Korruption überführt worden. Die Erklärung von Bern titulierte das französisch-schweizerische Industrieunternehmen im Zusammenhang mit der Nominierung von Alstom für den Schmähpreis «Public Eye» 2013 darum als „Die Bestechungs-Profis“. Der Präsident des Verwaltungsrats von Alstom Schweiz ist seit Mai 2012 alt Bundesrat Joseph Deiss.
Die Schweizer Behörden sind mit den Missetaten der Alstom zwar bestens vertraut, wenn es aber überhaupt zu Verurteilungen kommt, dann werden die Vergehen wie Kavaliersdelikte behandelt. Unbeliebt, weil auch für Alstom unangenehm ist allenfalls, wenn ein Alstom-„Berater“ einen Teil des Bestechungsgelds für sich selbst zurückfordert. Eine kleine Busse und eine bedingte Geldstrafe war die Folge, wie der Tages-Anzeiger anfangs Jahr ans Licht brachte.
Die Schweiz fördert nicht nur den Bau von dreckigen Kraftwerken. Sie begünstigt auch, dass diese mittels dreckiger Methoden gebaut werden.
Erst gestern berichtete das Onlineportal der Daily Mail mit Bezug auf informierte Kreise, Alstom sei bereit, in einem Vergleichsverfahren in den USA 700 Millionen US-Dollar Strafe zu entrichten. Die Strafzahlung durch den US-Kraftwerksbereich des Konzerns wird wegen Bestechung in verschiedenen Fällen erhoben. Primär wird die Lieferung von Ausrüstung für das Kraftwerk Tarahan in Indonesien genannt. Der Vergleich soll nächste Woche offiziell bekannt gegeben werden. Drei Alstom Manager, haben sich im Zusammenhang mit Tarahan schuldig bekannt. Alstom hatte mit der schon verurteilten japanischen Marubeni bei illegalen Machenschaften paktiert. Ausgerechnet diese beiden Gesellschaften wurden kürzlich als bevorzugte Lieferanten für das in Kroatien geplante Kohlekraftwerk Plomin C gewählt.
Alstom steht vor der Übernahme durch General Electric. Der angekündigte 700 Millionen Vergleich dürfte vor diesem Hintergrund stattfinden. Das potenzielle Strafmass im Fall Sostanj ist allerdings sehr viel höher als in den vielen früheren, bereits aufgerollten Fällen von Korruption durch den Industriekonzern. Wenn verurteilt und korrekt bestraft, könnte ein Vergehen in Sostanj die Existenz des Konzerns Alstom in Frage stellen — wenn es Alstom dann noch gibt.
Um den Franzosen entgegen zu kommen, hatte GE angeboten, die Direktion von Alstom Power von Baden nach Frankreich zu verlegen. Die Fabrikation von Kraftwerkskomponenten dürfte jedoch noch länger in Baden verbleiben. In welchem Mass eine allfällige Strafe von auch für Alstom beispiellosem Ausmass wegen Bestechung in Sostanj dereinst die Schweiz betreffen werden oder Frankreich — oder die USA — bleibt damit ungewiss.
Statt der 2011 von der Slowenischen Regierung „in Anbetracht der hohen Risiken“ für Block 6 geforderten Rendite von 9% wird das Kraftwerk jährlich einen Verlust von 70 bis 80 Millionen Euro einfahren. Wegen dieser Perspektive muss erwartet werden, dass die vom Staat gesprochene Garantie eingefordert wird und die Steuerzahler Sloweniens für den Schaden aufkommen müssen.
Im Januar dieses Jahres (2014) spielte Sloweniens Ministerpräsidentin an, es könnte sogar gesamthaft billiger sein, den unterdessen fast fertig gebauten Block 6 gar nicht in Betrieb zu nehmen. Sie sagte: „Wir haben nicht das Privileg zu entscheiden, ob dieses Projekt noch aufgehalten werden kann. Die Zahlen, über die wir verfügen, zeigen, dass Aufhalten teurer käme als Fertigstellung.“
Der Kraftwerkspark in Sostanj gehört der staatlichen slowenischen Elektrizitätsgesellschaft HSE. Das EU-Mitglied Slowenien produziert nur 5,6% seiner Primärenergie aus Wasserkraft, soll jedoch den Anteil der Erneuerbaren bis 2020 auf 25% steigern. Ein neues Braunkohlekraftwerk passt nicht zu dieser Absicht.
„Während westeuropäische Länder zwar anfangen, in ihren eigenen Hinterhof aufzuräumen, versuchen ihre Privat- und Entwicklungsbanken, aus dem Bau von neuen Kohlekraftwerken, die uns Slowenen während Jahrzehnten ersticken, Profit zu schlagen. Das ist zutiefst falsch.“
(Lidija Zivcic von der slowenischen Umweltorganisation FOCUS)
Zufall oder nicht: Die Schweiz unterstützte die Kreditvergabe der Europäischen Entwicklungsbank EBRD für den Bau des neuen Blocks in Sostanj. Die EBRD («European Bank for Reconstruction and Development») hatte 2010 einen 100 Millionen Euro Kredit für dieses Geschäft beschlossen und weitere 100 Millionen über private Banken beschafft. Zusammen mit weiteren 550 Millionen von der Europäischen Investment Bank (EIB, die Schweiz ist nicht Mitglied), waren der Beitrag der EBRD entscheidend für den Bau des neuen Blocks. Die Schweiz steht in der EBRD einer Gruppe von Mitgliedsländern vor und stellt einen Direktor. Die Bank war bis vor kurzer Zeit eine notorische Unterstützerin von Kreditvergaben für Kohlekraftwerke oder Kohlebergbau, darunter auffällig oft für Projekte die von Korruption überschattet sind.
„Die EBRD riskiert ihren Ruf, weil sie wiederholt Projekte finanzierte, währenddem nationale Behörden Korruptionsvorwürfe untersuchten.“
(Pippa Gallop von der Nichtregierungsorganisation CEE Bankwatch Network.)
Am 2. Februar 2014, als der Skandal in Sostanj schon längst ruchbar war, erklärte das zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft SECO unter Bundesrat Schneider Ammann auf Anfrage, der Kreditnehmer in Sostanj habe „sämtliche Anforderungen erfüllt“. Der zuständige SECO Beamte, Daniel Birchmeier, erklärte sogar, der neue Kraftwerksblock biete „den tiefsten Kohlenstoffausstoss unter den möglichen Alternativen“. Pro Kilowattstunde produzierten Strom verursacht Braunkohle jedoch am meisten CO2. Gemäss Umweltorganisationen vor Ort, wurden gar keine Alternativen zu Kohle als Energieträger erwogen. Block 6 in Sostanj wird Slowenien das Erreichen seines EU CO2-Reduktionsziels praktisch verunmöglichen. Es wirkt zynisch, wenn Daniel Birchmeier behauptet: „Die Modernisierung des Kraftwerks wird somit [weil es pro Kilowattstunde weniger CO2 produziert als die bestehenden Blocks] zum langfristigem EU-Reduktionsziel (CO2-Emissionen) beitragen.“
Wortspiel bei einem Protest gegen die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Zweifelhafte Kredite für Kohlebergbau und Kohlekraftwerke legen den Verdacht nahe, der Zweck der Bank sei die Finanzierung von Fehlentwicklung und Zerstörung. Die Bank will nun nur noch in Ausnahmefällen klimaschädliche Kohlekraftwerke finanzieren, hat sich aber in Slowenien damit die Finger verbrannt.
Bereits als der Bau des neuen Kraftwerkblocks in Sostanj aufgegleist wurde, hatte die EU beschlossen, die Emissionen bis 2050 um mindestens 80% (bis 95%) zu reduzieren. Block 6 allein wird dann praktisch die ganzen vorgesehenen CO2-Emissionen aller Sektoren Sloweniens beanspruchen und könnte entsprechend seiner technischen Lebensdauer noch lange danach in Betrieb sein. Die EU-Kommission hat gerade im vergangenen Monat (Oktober 2014) vorgeschlagen, die CO2-Emissionen schon bis 2030 um 40% zu reduzieren.
Block 6 soll ältere Blocks in Sostanj ersetzten. Die kleinen Blocks 1 und 2 stehen bereits still. Blocks 3 und 4 mit zusammen 350 Megawatt sollen ausser Betrieb genommen werden, wenn der Block 6 ans Netz geht. Block 5 mit 345 MW soll weiter in Betrieb bleiben, wenn Block 6 am Netz ist, nach Angaben der Betreiberin bis 2027. Block 6 stellt also eine Erhöhung der Produktionskapazität von rund 200 MW dar. Der Betrieb mit 6’500 Stunden pro Jahr ist bis 2054 geplant.
Die Schadstoffe Schwefeldioxid, Stickstoffoxide und Feinstaub von Block 6 werden allein jährlich zwischen 33 und 48 frühzeitige Todesfälle und zwischen 168 und 242 Millionen Euro an externen Kosten verursachen.
Die Alstom ist nicht das einzige Unternehmen, das sich mit einem Kohlekraftwerk in Slowenien schwer tut. Die Kleinfirma Edelweiss Investment in Genf, hinter welcher der russische Tycoon Oleg Burlakov steckt, wollte in Trbovlje einen alten Kohleblock erwerben und erneuern. Mehr dazu soll in einem eigenen Artikel auf klimaatelier.ch dargestellt werden (hier).
Dieser Beitrag ist der erste Teil einer geplanten Serie mit dem Titel «Dreckige Energie, dreckige Methoden».
Nachtrag
Am 23. Dezember, also eine Woche nach Erscheinen dieses Artikels berichtete Giorgio V. Müller in der NZZ unter dem Titel «Dunkle Vergangenheit holt Alstom ein; Korruptionssumpf in Baden» über einige der Korruptionsprobleme der Alstom und erwähnte die Anschuldigungen im Zusammenhang mit Sostanj. Am Tag davor hatte unter anderen die NZZ über den erwähnten Vergleich in den USA berichtet, der die Alstom die Rekordstrafe von 772 Millionen US-Dollar kostet.
Im Anschluss an den Vergleich in den USA stellte Trace ein Kompendium mit vielen der Anschuldigungen, Untersuchungen, Vergleichen und Verurteilungen zusammen, die Alstom belasten.
Medienmitteilung zu verwandtem Thema
Korruption durch Marubeni und Alstom: Neue Studie wirft Zweifel an Kohlekraftwerkprojekt in Kroatien auf (Medienmitteilung, 2.10.2014, Bankwatch, Amis de la Terre, Klimaatelier)
Bilder
„FAIL“: bankwatch.org
„European Bank for Recarbonisation and Destruction“, Protest. Photo beschnitten. Bankwatch/Flickr, einige Urheberrechte sind vorenthalten.
Weitere Bilder: Kale. Zur freien Verwendung für Medienschaffende bei Nennung des Fotographen („Kale“). Dasselbe gilt für das Titelbild. In guter Auflösung und Originalausschnitt gibt es das Titelbild hier.
Weitere Artikel über Kohlekraft und die Schweizer Energiewirtschaft erscheinen ab dem 14. Juni 2015 auf retropower.ch.