Was ‹Klimanotstand› bedeuten sollte

Die Klimastreikbewegung fordert die Wahrnehmung oder Behandlung der Klimakrise als Notstandssituation. Die Lösung der Klimakrise ist noch möglich, sogar erstaunlich einfach möglich, aber nicht mit nur wohlgefälligen Ansätzen. In diesem Beitrag sind wichtige Punkte erörtert, auch solche, die gerne verdrängt werden.

Es kann nicht mehr darum gehen, unser Gewissen zu besänftigen, als Land nicht und als Individuen bitte auch nicht mehr. Es geht darum, ein Problem zu lösen, das unbedingt gelöst werden muss und sehr schnell gelöst werden sollte, das CO2-Problem.

Information

Es braucht dringend eine Informations- und Bildungsoffensive des Bundes mit vordringlich diesem Zielpublikum: Schulleiter*innen, Lehrer*innen, Journalist*innen, Politiker*innen, Diplomat*innen und weitere Beamt*innen. Dazu sollten Wissenschafter*innen verpflichtet werden. (Keine solche Informationskampagne unternommen zu haben, ist die grosse, unverzeihliche Unterlassung der letzten Jahrzehnte.)

Bei einer Informationskampagne sollten die Disziplinen Sozialpsychologie, Politologie, Ökonomie, Technik, Biologie und Geophysik im Vordergrund stehen. Es soll jedoch keine Appelle für freiwillige Verzichts- oder Konsumhandlungen geben oder die Wirkung der Kampagne könnte sich ins Gegenteil der beabsichtigten verkehren. Weshalb dies zu befürchten wäre, ist in einem weiteren Artikel beschrieben — falsche Schuldzuweisungen sollten längst Geschichte sein.


Learning from Ignaz Semmelweis for Climate Communication.
Artikel auf klimaatelier.ch


Klimaverträglichkeit

Alle politischen Entscheide sollten daran gemessen werden, ob sie mit 1,5 Grad globaler Temperaturerhöhung kompatibel sind. Ungeeignete Gesetze und Bestimmungen sollten einklagbar sein.

Derselbe Massstab sollte bei der Bewilligung von grossen staatlichen oder privaten Bauvorhaben angesetzt werden. Der Aspekt Klimawandel und die Kompatibilität mit dem 1,5-Grad Ziel, muss Teil jeder Umweltverträglichkeitsprüfung sein.

Aussenpolitik, Aussenpolitik und nochmals Aussenpolitik

Da es sich um ein globales Problem handelt, muss die Aussenpolitik bezüglich Klimawandel und der Klimawandel in der Schweizer Aussenpolitik Vorrang erhalten. Die diplomatischen Bemühungen der Schweiz sind zu vervielfachen und konsequent auf das 1,5-Grad Ziel auszurichten.

Alle Internationalen Vereinbarungen müssen einen Test zur Kompatibilität mit dem 1,5-Grad Ziel bestehen (Stichworte Handelsabkommen und ‹Bilaterale Verträge›). Bestehende aber ungenügende Abkommen sind neu zu verhandeln, aufzukündigen oder notfalls zu brechen.

Finanzwirtschaft

Die Finanzwirtschaft, einschliesslich die Nationalbank, ist zu streng klimagerechtem Geschäften zu reglementieren. (Das Pariser Abkommen ist diesbezüglich deutlich. Die Schweiz hat es ratifiziert und steht offiziell zum 1,5-Grad Ziel.)

Auslandhilfe

Für eine konsequente Energie-Transition in Empfängerländern, bzw. zur Verhinderung eines fossilen Entwicklungspfades, ist Auslandhilfe an strenge Auflagen zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen in diesen Ländern zu knüpfen. Unter dieser Voraussetzung kann die Auslandhilfe massiv ausgebaut werden, sonst nicht.

Gesetzgeberische Ambition und Kompetenz

Es braucht dringend positive Entscheide, also neue Gesetze, wie in den weiteren Beiträgen erklärt ist, besonders hier.

‹Netto-Null› muss für CO2 schnell erreicht werden, und es könnte für alle Treibhausgasemissionen schnell erreicht werden.


1,5-Grad Szenarien des IPCC. Ergänzt.CO2-Emissionen müssen schneller sinken als IPCC und UNO kolportieren | Artikel auf klimaatelier.ch


Der normale gesetzgeberische Prozess, der durch Unterlassungen stärker geprägt ist als durch Taten, ist mit den notwendigen (und grundsätzlich auch möglichen) Veränderungen nicht kompatibel — auch wegen der grossen Unterlassung, der erwähnten Informationskampagne, die es nie gab und immer noch nicht gibt.

Der Bundesrat muss zur Problemlösung verpflichtet und zu diesem Zweck mit Sonderkompetenzen ausgestattet werden. Die Aussage (auf klimacharta.ch), die Klimastreik-Bewegung fordere «nicht etwa die Einschränkung demokratischer Rechte» ist viel zu defensiv, weil sie den Verzicht auf echte Notstandsregelungen verzichtet — diesen Verzicht jedenfalls suggeriert. Für dringliche Situationen wie die Klimakrise gibt es den demokratisch legitimierten Bundesrat.

Es soll sich bitte niemand vormachen, die 2030-Vorgabe und das Einhalten der 1,5-Grad Limite seien ohne Organisationsform möglich, die der Notstandssituation entspricht, die da wäre, wenn wir sie nur wahr haben wollten. Dies wäre möglicherweise verschieden, wenn es die oben geforderte Informationskampagne gegeben hätte. Es hat sie jedoch nicht gegeben.

Handabdruck statt Fussabdruck

Die Schweiz verursacht im Inland nur rund ein Promille der globalen Treibhausgasemissionen — stimmt! Was bedeutet das nun? Sicher nicht, dass wir deshalb legitimiert wären, die Arme hängen zu lassen und uns weiter vor der Verantwortung zu drücken, anderen Ländern die Problemlösung zu überlassen und Trittbrett zu fahren.

Aber die Situation ist nicht einfach. Unsere Lösung der Klimakrise im Inland muss weit über die Landesgrenzen hinaus wirken, denn es geht nicht darum, gut dazustehen, sondern es geht darum, ein Problem zu lösen, das dringend gelöst werden muss.

Ein beispielhaft schnelles Netto-Null wäre zweifellos ein äusserst wertvolles Signal für den Rest der Welt, ein mächtiger Handabdruck in Form eines schnellen kleinen Fussabdrucks des Landes. (Wie das ginge, ist im Beitrag über die Forderung ‹Klimagerechtigkeit› beschrieben.) Wird der Null-Fussabdruck mit dem richtigen Instrument effizient erreicht, wäre die Wirkung der Schweiz als Vorbild besonders nützlich.

Derselbe Vorschlag hätte einen weiteren starken Handabdruck zur Folge: Eine für die Begrenzung der globalen Temperaturerhöhung unverzichtbare Technologie, die Technologie zur technischen Filterung von CO2 aus der Luft, würde industriell umgesetzt und der psychologischen Selbstschutzbehauptung (aber realen Selbstschussbehauptung), diese Technologie existiere nicht, würde die Grundlage entzogen. Damit würde auch der Behauptung, Klimawandel sei ein unlösbares Problem, die Grundlage entzogen. Ein kleines Land wie die Schweiz könnte mit diesem Aspekt des Handabdrucks sehr wahrscheinlich weit mehr erreichen als mit einem kleinen Klima-Fussabdruck.

Technologie

Für das schnelle Erreichen von netto null Treibhausgasen braucht es zwingend und dringend die industrielle Umsetzung der (bereits real existierenden!) Technologie für die direkte Entfernung von CO2 aus der Luft. Die Landesregierung liegt mit ihrer Feststellung richtig, dass die «vornehmliche Aufgabe» der CO2-Entfernung der zeitnahe Ausgleich unvermeidbarer Emissionen ist, um das Ziel von netto null Emissionen zu erreichen. Die Regierung sollte entsprechend handeln — tut es aber nicht. Die sauberen Kraftwerke und die Maschinen für die CO2-Entfernung sind erfunden. Nun müssen sie gebaut werden.

Die offizielle Schweiz sollte bitte nicht weiter behaupten, die Technologie existiere nicht oder sei nicht zur Umsetzung bereit. Es gibt die Technologie unbestreitbar und ihr Einsatz ist bereits erstaunlich kostengünstig.


Diagramm Flugticketpreise wenn das CO2 mit DAC entfernt wird.Die CO2-Entfernung aus der Luft ist notwendig und da | Artikel auf klimaatelier.ch


Bundesrat und Verwaltung sollten sich jedoch noch klarer vom ‹Generationenbetrug› distanzieren, von der unbelegten Behauptung, CO2 könne noch in grossen Mengen ausgestossen werden, weil es möglich sei, dieses CO2 Jahrzehnte später netto wieder aus der Atmosphäre zu entfernen.


DAC air contactors. Carbon Engineering.Keine Spekulation auf netto negative Emissionen, sondern CO2-Entfernung jetzt! | Artikel auf klimaatelier.ch


Fossile Energie und Sequestrierung des CO2 oder Synfuels?

Netto null CO2-Emissionen bedeutet Kohlenstoff-Kreislaufwirtschaft. Es gibt die Möglichkeit der Kohlenstoff-Kreislaufwirtschaft mit Biomasse. Sie wird weiter unten besprochen. Jedoch vorweg: In der Schweiz ist das Potenzial der Biomassenutzung und Aufforstung für Netto-Null zu gering, weltweit auch. Es braucht deshalb eine technologische Kohlenstoff-Kreislaufwirtschaft. Es gibt zwei mögliche Formen.

  • Quasi-Kreislaufwirtschaft Erdkruste-Luft-Erdkruste: Das CO2, das aus fossilen Quellen stammt, wird entweder aus Kaminen abgeschieden und sequestriert, also als CO2 im Untergrund bleibend gespeichert. Oder es wird aus der Luft gefiltert und (auch) sequestriert.
  • Echte Kreislaufwirtschaft Luft-Synfuels-Luft: Für die Produktion von kohlenstoffhaltigen, rein künstlichen Energieträgern, Synfuels, wird Kohlenstoff als CO2 aus der Luft gefiltert. Bei der Verbrennung der Synfuels wird das CO2 wieder frei. Für die Produktion der Synfuels, wie auch für alle anderen Aktivitäten, wird auf fossile Energieträger verzichtet.

Die technische Entnahme (oder Filterung) von CO2 aus der Luft braucht es in beiden Fällen und ist darum für die Lösung des CO2-Problems unverzichtbar. Unverzichtbar! (Das sollte nicht schwierig zu begreifen sein.)

Die Synthese von Energieträgern mit Wasserstoff aus Wasser und CO2 aus der Luft benötigt zwingend sehr viel Energie, viel mehr als die CO2-Entfernung aus der Luft allein. Und der Energieverbrauch ist bei der Produktion von Synfuels die dominante Kostenkomponente.

Die CO2-Abgabe müsste, wenn kein fossiles CO2 sequestriert, sondern mit synthetischen Energieträgern gearbeitet wird, sehr viel höher angesetzt werden — drei bis fünf mal höher als mit Sequestrierung. (Der rückverteilte Anteil des Abgabenaufkommens wäre entsprechend hoch. Die volkswirtschaftlichen Kosten eines CO2-freien Energiesystems mit Synfuels wären viel höher als mit Sequestrierung.)

Ganz ohne Sequestrierung ist das Ziel von netto null Emissionen aller Treibhausgase ohnehin nicht absehbar in Reichweite, wegen der Zementproduktion, den anderen Treibhausgasen als CO2 und weil gar kein fossiler Kohlenstoff mehr importiert werden dürfte, auch kein aus fossilem Kohlenstoff produzierter Kunststoff. Die Zielerreichung (‹Netto-Null›; 1,5 Grad) wäre kaum sicherzustellen. Ohne harte und sehr einschneidende Verbote, zusätzlich zu den CO2-Abgaben, würden das Ziel nicht erreicht.

Die Sequestrierung ist bei Umweltschützern ausgesprochen unbeliebt, nicht jedoch bei den Experten, die sich damit auskennen: Die CO2-Sequestrierung ist kostengünstig und sicher. Das Potenzial ist für praktische Zwecke unbegrenzt. Mit Sequestrierung kann Zeit gewonnen bzw. das CO2-Budget kann gestreckt werden, selbst wenn das Ziel eine echte Kohlenstoff-Kreislaufwirtschaft mit Synfuels statt Sequestrierung sein soll.

Das 1,5 Grad Ziel ist ohne Sequestrierung nicht mehr vernünftig erreichbar, das ist eigentlich eine einfache Rechnung.

Der schnelle Einsatz von Synfuels als Ergänzung zu Elektrizität für netto null CO2-Emissionen würde sogar dann eine extreme Anstrengung bedeuten, wenn der Anteil der Energieversorgung durch Synfuels bescheiden wäre.

Es ist selbst bei maximaler Bereitschaft und optimaler politischer Rahmensetzung sehr fraglich, ob weltweit schnell — innerhalb der technischen Lebensdauer von Wind- oder Sonnenstromanlagen und innerhalb eines engen CO2-Budgets — auf eine CO2-freie Energiewirtschaft umgestellt werden könnte, wenn zugunsten einer echten Kohlenstoff-Kreislaufwirtschaft (mit Synfuels) auf die CO2-Sequestrierung verzichtet wird. Dafür ist das Kohlenstoff-Restbudget bereits sehr knapp geworden. Der Verdacht liegt nahe, dass es bereits zu knapp geworden ist. Das 1,5 Grad Ziel ist ohne Sequestrierung kaum mehr vernünftig erreichbar.

Eine Initiative des aktivistischen britischen Journalisten George Monbiot für Aufforstung, der sich sogar wenige Wissenschafter und Greta Thunberg anschlossen, behautet, die technische CO2-Entfernung sei keine Lösung, weil die Produktion der erforderlichen Anlagen für die CO2-Entfernung selbst und für die Bereitstellung der nötigen Energie bereits zu viel des CO2-Restbudgests verschlingen würde. Wird CO2-Sequestrierung zugelassen, ist diese Behauptung eindeutig falsch. Sollte Sequestrierung ausgeschlossen werden, sind Bedenken dieser Art jedoch sehr gerechtfertigt.

Für den Schreibenden überraschend kommt eine gründliche Studie zum Schluss, der Umbau des Energiesystems für eine weltweite, CO2-freie Vollversorgung bis 2050 mit erneuerbarer Energie sei ohne Sequestrierung möglich, sogar kostengünstig und das CO2-Budget für 1,5-Grad würde respektiert. In dieser optimierten Projektion würde die Energieversorgung ab etwa 2035 zu einem erheblichen Teil auf synthetischen Energieträgern beruhen. (CO2-Freiheit und Restbudget-Anspruch betreffen dabei CO2 aus der Energieumwandlung allein, ohne das aus der Zementproduktion stammende CO2, das ohnehin auf die eine oder andere Art sequestriert werden muss.)

Ausblick

Die in diesem und im nächsten Beitrag beschriebenen Punkte sollten berücksichtigt werden, wenn in einem weiteren Beitrag erklärt wird, wie die Schweiz netto null Treibhausgasemissionen in vorbildlicher Weise erreichen könnte.


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