Lügen und verleumden. Die zweifelhaften Methoden der Bündner Repower — Teil 1

Das Bündner Energieunternehmen Repower manipulierte die Generalversammlung und desinformierte die Medien. Dies wurde anlässlich der Generalversammlung von heute (29. April 2015) bekannt. Für Repower ist es nicht das erste Vorkommnis zweifelhafter Art und ereignete sich trotz einer früheren Mahnung des damaligen Bündner Regierungsrats und heutigen Ständrats Martin Schmid, Praktiken wie Desinformation könnten nicht geduldet werden. Schmid vertritt seit 2008 den Kanton im leitenden Gremium des Verwaltungsrats der Repower. Das Fehlverhalten fand an der Generalversammlung des Vorjahrs statt und erfolgte durch Kaderleute des Bündner Energiekonzerns. Ihr Vorgehen könnte rechtliche Konsequenzen haben.

„Praktiken, wie Desinformation der Bevölkerung und der Medien, können aus meiner Sicht nicht geduldet werden.“ Martin Schmid im Grossen Rat Graubündens, am 19. November 2011. Ausschnitt aus einer Sendung des Regionaljournals des Schweizer Radios.

 

Im April 2014 verklagte  der Leiter von Repower Italien, Fabio Bocchiola, im Namen der SEI S.p.A. vier Gegner des projektierten Kohlekraftwerks wegen Rufschädigung. Die vier Aktivisten sollen 4 Millionen Euro Schadenersatz leisten. Repowers Tochtergesellschaft SEI plant das umstrittene Werk. Das in der Klageschrift der SEI zuerst aufgelistete Dokument (Anhang «1a», Titelbild) ist eine Fotomontage, die das geplante Kraftwerk mit dem Konzentrationslager Auschwitz vergleicht.

Der Verwaltungsratspräsident der Repower, Eduard Rikli, sagte dazu an der Repower-Generalversammlung 2014, es seien „schreckliche Dinge gesagt worden, welche die wirklichen Opfer des Genozids im zweiten Weltkrieg verunglimpfen“.

An der gleichen Versammlung meldete sich überraschend ein Aktionär zu Wort. Er sagte, er sei „im Internet auf eine Seite gestossen, in der das Projekt Saline Joniche mit Auschwitz verglichen wird“ (so ist es im Protokoll  festgehalten). Er zeigte einen Ausdruck des umstrittenen Vergleichs mit Auschwitz im Format A4.

Anhang 1.a der Millionenklage
„Wir lassen Saline nicht zum italienischen Auschwitz machen. Nein zum Kraftwerk. Saline kohlefrei.“ Das vom Aktionär gezeigte A4, photographiert anlässlich der Generalversammlung 2014. Links oben ist die Bezeichnung „1.a“ sichtbar, die Nummerierung als Anhang zur Klageschrift der SEI. Der Aktionär hatte diesen Ausdruck nicht im Internet gefunden, wie er in der Versammlung behauptete, sondern von Repowers Livio Zanolari erhalten, was er am gleichen Tag eingestand. Grösser.

 

Beim Mittagessen nach der Generalversammlung, erklärte der Aktionär den Umsitzenden, woher er das Dokument tatsächlich hatte. Der Mediensprecher der Repower habe es ihm gegeben und ihn aufgefordert, darüber in der Generalversammlung zu sprechen. Zuvor habe der Mediensprecher eine andere Person gebeten, eine solche Wortmeldung zu machen, aber jener Aktionär habe dies abgelehnt. Auf die Frage, welcher der beiden Mediensprecher der Repower ihn angestiftet habe, antwortete der Aktionär: „Livio Zanolari“.

Repower hatte Zanolari im Juli 2012 als Leiter Unternehmenskommunikation angestellt, als absehbar war, dass Graubündens Stimmbürger über Repowers Pläne in Saline Joniche zu befinden haben würden. Zuvor war der Kommunikationsexperte  aus dem Puschlav unter anderem für sechs Bundesräte tätig gewesen. Der Aktionär, welcher der Bitte von Livio Zanolari entsprach und die Generalversammlung belog, ist ein ehemaliger leitender Mitarbeiter der Repower, bzw. der Repower-Vorgängergesellschaft Kraftwerke Brusio.

Die Anstellung Livio Zanolaris durch die Repower erfolgte nach einer Serie von Skandalen, die das Unternehmen im Herbst 2011 erschütterten. Nach einer Demonstration in Chur gegen die Kohlekraftwerkspläne der Repower mit rund 500 Teilnehmern gab der Repower-Berater in Kalabrien, Franco d’Aquaro ein mit Lügen befrachtetes Interview. Unter anderem behauptete er, es hätten an der Demonstration keine 100 Personen teilgenommen.

No Carbone Saline («Coordinamento»} stellte in einem Zusammenschnitt mit Franco D’Aquaros Fehlbehauptungen zur Schau, der im Interview  unter anderem sagte: „Aber da es eine Presse gibt, die desinformiert … “ und: „Die Leute, welche die Menschen desinformieren, sollten wenigstens die Wahrheit sagen.“

 

Die Rundschau des Schweizer Fernsehens machte nach der Demonstration bekannt, dass Repower, entgegen anders lautender Beteuerungen, Kohlebefürwortern die Reise von Kalabrien nach Chur bezahlt hatte. Etwa zur gleichen Zeit wurde bekannt, dass Davide Damiani, der Mediensprecher von Repower Italien, für die von SEI/Repower in Kalabrien aufgebauten Pro-Kohle Komitees die Medienmitteilungen schrieb. «Die Südostschweiz» schrieb über die Vorkommnisse unter den Titeln „Die zweifelhaften Methoden des Bündner Energieriesen“ und „Repower ruiniert Reputation“.

Davide Damiani, der auch Pressesprecher der SEI ist, reiste an die Repower-Generalversammlung 2014 nach Landquart, um die Medien über die Klage gegen die vier Aktivisten zu informieren. Auch er zeigte den umstrittenen Anhang-1a, den Auschwitz-Vergleich. Im Bericht des italienischsprachigen Schweizer Fernsehens (RSI) erklärt Damiani ausserdem, die Photomontage sei auf der Facebook-Seite des „Coordinamento No Carbone Saline“ gewesen. Drei der vier Angeklagten gehören diesem «Coordinamento» an. Die Fotomontage ist jedoch nicht auf der betreffenden Facebook-Seite. Und die Mitglieder des «Coordinamento» beteuern übereinstimmend, der betreffende Auschwitz-Vergleich sei nie auf einer ihrer Seiten gewesen. Auch auf anderen Seiten weiterer kalabrischer Kohlegegner sei das Plakat nicht auffindbar. Paolo Catanoso, einer der von SEI/Repower verklagten Gegner des Kraftwerkprojekts versicherte dem Fernsehen RSI: „Das haben wir nicht gemacht. Das ist nicht auf unserer Seite. Es wurde von uns nie verwendet.“

Der Mediensprecher von SEI und Repower Italien behauptet: „Die Karikatur, um die es geht, war auf der Facebook-Seite der Gruppe No Carbone Saline. Zur Bestätigung dieses Sachverhalts gibt es noch Artikel … “ („La vignetta in questione era presenta sulla pagina facebook del gruppo No Carbone Saline. A conferma di questo fatto abbiamo ancora degli articoli …“). Damianis Beleg für eine angebliche Präsenz des Auschwitz-Vergleichs auf dem Internet durch das «Coordinamento» hält einer einfachen Prüfung nicht stand. Davide Damiani an der Repower Generalversammlung 2014. Auszug aus der Sendung des Fernsehens RSI.

 

„Die betreffende Karikatur war auf der Facebook-Seite des Coordinamento präsent“, behauptete dagegen Davide Damiani vor laufender Kamera. Als angebliche Bestätigung dafür zeigt er auf einem Tablet zwei Webseiten mit Artikeln von 2010 und 2011.

Artikel mit Hinweis auf einen Auschwitz-Vergleich von Gegnern des Kraftwerkprojekts in Saline Joniche. Zusammengesetzt aus 2 Ausschnitten.
Flugblätter und Plakätchen („operata con volantini e depliant affissi ai muri … „). Die gezeigten angeblichen Belege stützen Davide Damianis Behauptung nicht, der umstrittene Vergleich sei auf der Facebook-Seite des Coordinamento gewesen. Artikel mit Hinweis auf einen Auschwitz-Vergleich von Gegnern des Kraftwerkprojekts in Saline Joniche, zusammengesetzt aus 2 Ausschnitten. Vergrössern. Zum Original.

 

Auf der einen von Damiani gezeigten Seite (La Voce del Sud) steht, der Vergleich sei über Flugblätter und Plakätchen verbreitet worden, die an Wänden angebracht worden seien. Dieser Artikel ist mit 22.12.2010 datiert. Der älteste Beitrag auf der Facebook-Seite des Coordinamento ist jünger (vom 30.12.2010). Im anderen als Beleg gezeigten Artikel im Internet (Strill.it) gibt es gar keinen Hinweis darauf, wie und wo der Auschwitz-Vergleich präsentiert worden war. Damianis „Bestätigung“ seiner Behauptung, das «Coordinamento» habe den umstrittene Vergleich über seine Facebook-Seite verbreitet, ist also ohne Aussagewert; Die Chronologie spricht gegen Damianis Behauptung und eine der zwei von ihm als Beleg angeführten Webseiten nennt sogar eine andere Verbreitung der Fotomontage als das Internet.

Repower CEO Kurt Bobst anlässlich der Generalversammlung 2014: „Wir haben mit sehr, sehr vielen Anschuldigungen, die zum Teil sehr sehr deutlich unter die Gürtellinie gingen und zum Teil einfach schlicht Falschaussagen und Lügen zu kämpfen gehabt.“ Ausschnitt aus einer Sendung von Tele Südostschweiz.

 

Unmittelbar nachdem der Verantwortliche für Unternehmenskommunikation der Repower einen Aktionär anstiftete zu lügen und zu verleumden und nachdem der Mediensprecher von Repower Italien dies nachweislich ebenfalls tat, warf Repowers Konzernchef Kurt Bobst den von Repower verklagten Gegnern des Kohlekraftwerks „Falschaussagen und Lügen“ vor. Möglicherweise hatte Kurt Bobst Livio Zanolari in der Hoffnung engagiert, dass die Medienarbeit der Repower seriöser würde. Diese Hoffnung, falls es sie gab, wurde nicht erfüllt.

Die PR-Kampagne, die Livio Zanolari (vergeblich) aufzog, um einen Erfolg der Bündner Anti-Kohle-Initiative («Ja zu sauberem Strom ohne Kohlekraft») zu verhindern, war in einem Mass überbordend mit Lügen und Falschaussagen, dass sie von manchen Befürwortern der Initiative auch «Lügenteppichkampagne» genannt wurde. Dieser Artikel gibt eine Ahnung davon, wie systematisch Repower in Italien log — und mit Livio Zanolari in der Schweiz noch dreister vorging — im Versuch, das unzeitgemässe und klimaschädliche Kohlekraftwerkprojekt in Italien und in Graubünden anzupreisen. Und dieser Artikel legt dar, was Repower behauptete, wie das Kraftwerk aussehen würde, sollte es gebaut werden.

Poster zum Ausschwitz-Gedenktag 2014 des «Coordinamento».
Poster zum Ausschwitz-Gedenktag 2014 des «Coordinamento». Diese Graphik war und ist auf der Facebook-Seite des Coordiamento und ist viel jünger als die angeblichen Belege, mit denen Davide Damiani seine Behauptung zu stützen versuchte.

 

Knapp drei Monate bevor Fabio Bocchiola die vier Gegner seines* Projekts auf vier Millionen Euro Schadenersatz verklagte, erschien auf der Facebook-Seite des «Coordinamento» eine Graphik zum Auschwitz-Gedenktag (Bild oben). Dies könnte Fabio Bocchiola dazu verleitet haben, den Angeklagten auch die Fotomontage mit dem Auschwitz-Vergleich anzulasten — oder besser gesagt, den verklagen Gegnern den Auschwitz-Vergleich in die Schuhe zu schieben — mit tatkräftiger Unterstützung durch Repowers Livio Zanolari.

 

Kommentar

Vergleiche von Kohlekraftwerken mit Konzentrationslagern sind nicht einzigartig. Es gibt sie auch anderswo in Italien (Bild unten). Und der renommierte Klimaforscher James Hansen, er leitete die Klimaforschung der NASA, vergleicht in seinem Buch «Storms of my Grandchildren» Kohlezüge mit den Todeszügen, welche die Opfer in die Konzentrationslager fuhren. Man mag geteilter Meinung darüber sein, ob solche Vergleiche nützlich sind, oder darüber, ob es sich um Übertreibungen oder um Verharmlosungen handelt.

Darüber, dass es für den ehemaligen Vorzeigekonzern Repower nicht nützlich ist, zu desinformieren, zu manipulieren, zu lügen und zu verleumden, dürfte eher Einigkeit herrschen — sollte man meinen.

Vergleich des Konzentrationslagers Auschwitz mit dem Kohlekraftwerk Vado Ligure
Vergleich des Kohelkraftwerks Vado Ligure (Savona) mit dem Konzentrationslager Auschwitz, publiziert am 28. Januar 2012 durch IVT.it unter dem Titel: „Tirreno Power, fotomontaggio Auschwitz. I lavoratori: „Movimentare del carbone è uno sporco lavoro, ma non siamo in un lager“. Quelle.

 

Anmerkung

*  Fabio Bocchiola identifiziert sich ausserordentlich stark mit der („seiner“) Firma Repower und deren („seinen“) Kraftwerken. In einer Sendung der RSI erklärte er: „Für mein Gaskraftwerk, das ich in Kampanien habe, kaufe ich bereits jetzt CO2-Emissionszertifikate“.

„La mia centrale turbogas“. Fabio Bocchiola in einer Radiosendung des RSI. Auschnitt. Italienisch. 

 

In einer weiteren Sendung des RSI sagte er, er entscheide („ich entscheide“), was bezüglich des Kohlekraftwerks wo gebaut werde.

„Ich entscheide“. Ausschnitt aus einem Beitrag der RSI (Radiotelevisione Svizzera Italiana) von Nicola Zala, vom 10. September 2013. Italienisch.

 

Man kann Fabio Bocchiola kaum vorwerfen, er sei zu wenig von sich eingenommen, wie in Aufzeichnungen von Vorträgen hier und hier (Ausschnitt, ganzer Monolog hier) dokumentiert ist.


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